Strom

Energieminister Pegel sieht Energiewende in «schmerzhafter Phase»

Die Vision von einer grünen Energiewende trifft auf die Realität. Steigende Strompreise und bis zu 200 Meter hohe Windräder in Dorfnähe sorgen für Ärger. Trotzdem sind die deutschen CO2-Ziele noch immer in weiter Ferne. Eine Konferenz in Schwerin fragte: Wie weiter?
02.11.2018

Christian Pegel, Energieminister von Mecklenburg-Vorpommern (SPD)

Der Energieminister von Mecklenburg-Vorpommern (MV), Christian Pegel (SPD), sieht die Energiewende in Deutschland in einer «schmerzhaften Phase». Bei einem Marathonlauf wäre das so ab Kilometer 30, sagte Pegel bei einer Konferenz der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zu den erneuerbaren Energien am Donnerstag in Schwerin. Hintergrund sind wachsende Widerstände, etwa gegen den Ausbau der Windkraft an Land. Auch Christoph Reichle, im Bundeswirtschaftsministerium zuständig für Energiefragen, sagte: «Die Energiewende ist kein Selbstläufer mehr.» Das werde aus Zuschriften, in Gesprächen vor Ort und im politischen Diskurs deutlich.

Es gebe bei dem Thema derzeit viele bewegliche Flanken durch alle Parteien, sagte Pegel. Als ein Beispiel nannte er eine Bundesratsinitiative des SPD-geführten Bundeslandes Brandenburg gegen die geltende Privilegierung der Windkraft im Baugesetzbuch. Außerdem seien Gegner des Windkraftausbaus inzwischen gut organisiert und wüssten, wie das Naturschutzrecht kreativ auslegbar sei.

Mecklenburg-Vorpommern setzt auf Windenergie

Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung will die Ökostromproduktion im Nordosten massiv ausweiten. Ende 2025 sollen laut einem energiepolitischen Konzept Kapazitäten zur Erzeugung von 24,3 Mrd. kWh bereitstehen. Das wäre die Hälfte mehr als 2017 produziert wurde. Den Löwenanteil trägt die Windkraft bei. Allerdings ist der Ausbau ins Stocken geraten. In diesem Jahr werden nur 30 neue Anlagen erwartet nach rund 60 im Vorjahr. Insgesamt drehen sich in Mecklenburg-Vorpommern laut Statistischem Landesamt inzwischen 1947 Windräder (Stand: Ende 2017).

Anwohner klagen über Belastungen durch die Schlagschatten der Rotorblätter sowie über Lärm und blinkende Lichter bei Nacht. Seit 2017 sieht die Landesbauordnung in MV vor, dass die Blinklichter nur angehen dürfen, wenn sich ein Flugzeug nähert – dies gelte allerdings nur für seither neu errichtete Windräder, räumte Pegel ein. Auch die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wird vielerorts kritisch gesehen. Kritiker des geplanten massiven Ausbaus verweisen zudem auf den schleppenden Ausbau von Stromtrassen, um die Öko-Energie zu den Verbraucherzentren zu bringen.

Probleme mit der Akzeptanz

Um Gemeinden und Bürger an den Einnahmen von Windanlagen zu beteiligen und damit die Akzeptanz zu erhöhen, wurde in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2016 ein Beteiligungsgesetz verabschiedet. Die ersten Projekte auf Basis dieses Gesetzes erwartet der Minister ab dem kommenden Jahr, wie er sagte. Das Gesetz schreibt vor, dass bei Windkraft-Projekten mindestens 20 Prozent den unmittelbaren Nachbarn zur Beteiligung angeboten werden müssen.

Der Koalitionsvertrag im Bund sieht konkrete Ziele und Weichenstellungen zum Ausbau der Energiewende vor, um bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor auf 65 Prozent auszubauen und den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren.

Milliarden-Stafzahlungen drohen, falls Klimaziele nicht erreicht werden

Bei der Konferenz in Schwerin wurden verschiedene Forderungen diskutiert, damit die Energiewende wieder Fahrt aufnimmt. Wenn Deutschland die CO2-Einsparziele der EU bis 2030 nicht erreicht, drohen Milliarden-Strafzahlungen, sagte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). «Die Hebel müssen heute umgelegt werden», sagte sie. Eine mögliche Maßnahme sei die Erhebung von Abgaben auf den CO2-Ausstoß bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Erdgas und Erdöl. Bei einer «CO2-Bepreisung» gehe es allerdings gleich um Belastungen in zweistelliger Milliardenhöhe, gaben mehrere Redner zu bedenken, darunter Christoph Reichle und der Grünen-Politiker Johann-Georg Jaeger.

Noch unausgeschöpfte Potenziale sieht Energieminister Pegel bei der Nutzung der Photovoltaik auf Einfamilien- und Reihenhäusern in MV – wenn sich denn mehr Eigenheimbesitzer trauen würden, Solarpaneele auf ihr Dach zu bauen und einen kleinen Speicher im Haus zu installieren, sagte er. Die Investition lohne sich, versicherte der Minister. Allerdings räumte er auf Nachfrage aus dem Publikum ein, dass es in Mecklenburg-Vorpommern im Unterschied zu mehreren anderen Bundesländern kein Förderprogramm dafür gebe. (dpa/al)