Strom

Energiewende in den Verteilnetzen stemmen

Netze BW startet die Initiative "Wir kümmern uns gemeinsam drum". Bei einem Workshop mit Vertretern von rund 50 Verteilnetzbetreibern aus Baden-Württemberg skizzierte das Unternehmen, wie sich das Netz-Wesen in Zukunft verändern wird.
21.02.2019

Selma Lossau erläutert das Pilotprojekt zur Netzintegration der E-Mobilität in Ostfildern. Mit dabei (v.l.): Martin Konermann (Geschäftsführer Technik Netze BW), Helmfried Meinel (Ministerialdirektor im Umweltministerium Baden-Württemberg), Peter Buhl (Geschäftsführer Stadtwerke Wildbad) und Klaus Eder (Geschäftsführer Stadtwerke Ulm).

Bei der Energiewende spielt die Musik in den Verteilnetzen – das wissen deren Betreiber aus der täglichen Praxis. Zu einem Gedankenaustausch, wie die Herausforderungen gemeinsam besser zu meistern wären, hatte Netze BW am 20. Februar Stadtwerke und Regionalversorger aus Baden-Württemberg eingeladen. Vertreter von rund fünfzig Unternehmen, sowie aus Politik und Wissenschaft ermunterten die EnBW-Tochter, den Ansatz weiterzuverfolgen.

Christian Rehtanz, Professor für Energiesysteme an der TU Dortmund, skizzierte den weiteren Weg der Netzwirtschaft angesichts der politischen Vorgaben: Um die Klimaschutzziele einhalten und den Kohleausstieg stemmen zu können, müsste sich die bereits heute sehr hohe Erzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien bis 2050 auf das 3,5- bis sechsfache erhöhen.

10 Millionen Anlagen bis 2050

Aus Sicht der Netzbetreiber bedeutete dies bundesweit den Umgang mit rund 10 Millionen Anlagen, ergänzte Gastgeber Martin Konermann, Geschäftsführer Technik bei Netze BW. Um Transparenz bei aktuell 170.000 Anlagen im Gebiet der Netze BW zu gewinnen, erhebe man inzwischen Daten aus allen 800 Trafos der Umspannwerke zwischen Hoch- und Mittelspannungsebene. "Auf dieser Basis erfüllen wir die europaweiten Vorgaben, nach denen die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) zwei Tage im Voraus die Einspeiseprognosen erhalten müssen". Die selbst entwickelte und mandantenfähige Lösung soll zur Verfeinerung der Daten Zug um Zug auf die über 25.000 Ortsnetzstationen ausgerollt werden.

Warum auch für den in Baden-Württemberg tätigen ÜNB TransnetBW diese Daten immer wichtiger werden, erklärte deren Geschäftsführer Werner Götz: „Bisher hatten wir es bundesweit mit 500 Großkraftwerken zu tun, die meist auch auf Höchstspannungsebene einspeisten“. Die Millionen dezentraler Anlagen der Zukunft lägen demgegenüber alle in den unterlagerten Netzebenen, „wobei die Verantwortung für die Stabilität aber bei uns bleibt“.

Eder fordert mehr Handlungsfreiheiten beim Betrieb von Speichern oder Ladesäulen

Dennoch plädierte Klaus Eder, Geschäftsführer der Stadtwerke Ulm, als Vertreter des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) für eine stärkere Eigenverantwortung der Verteilnetzbetreiber (VNB). „Wir haben gezeigt, dass wir das können“ betonte Eder mit Verweis auf aktuelle Projekte zur Steuerung von Ortsnetzen mit extrem hoher PV-Einspeisung. Mit Blick auf die Entwicklung zweier neuer Quartiere, bei denen eine umfassende Sektorenkopplung zum Zuge kommen soll, forderte er von der Politik „mehr Handlungsfreiheit“, beispielsweise beim Betrieb von Speichern oder Ladesäulen.

Wie ein kooperatives Zusammenwirken von VNB und ÜNB funktionieren kann, soll das Projekt DA/RE von TransnetBW und Netze BW zeigen, das für „DAtenaustausch/REdispatch“ steht. Es stehe „für Kommunikation statt Reglementierung“ und werde laut Ministerialdirektor Helmfried Meinel vom baden-württembergischen Umweltministerium ausdrücklich unterstützt. Auf einer offenen Plattform können Lieferanten und Aggregatoren ihre „Fahrpläne“ einstellen. Die wiederum liefern sowohl den betroffenen VNB als auch dem ÜNB die Datengrundlage, um mögliche Engpässe im Netz und damit Handlungsbedarf zu identifizieren. Nicht nur Meinel zeigte sich am Ende der Tagung zuversichtlich. Das Motto ‚Wir kümmern uns gemeinsam drum‘ werde in Baden-Württemberg „zum Laufen kommen“. (us/al)