EURATOM: Mitgehangen, mitgefangen?
Wie eine aktuelle Kurzanalyse des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) zeigt, fließen über den EU-Beitrag Deutschlands 2019 rund 80 Millionen Euro aus deutschen Steuermitteln in den EURATOM-Haushalt.
"Während die Bundesregierung um die Finanzierung ihres Klimapakets feilscht und den Ausbau erneuerbarer Energien erschwert, ist sie weiter an der Förderung der riskanten und unwirtschaftlichen Atomkraft beteiligt", kritisiert Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy, die die Analyse in Auftrag gegeben haben.
Vier Milliarden Euro Beteiligung
Die 1957 gegründete EURATOM-Gemeinschaft habe allein im vom FÖS betrachteten Zeitraum seit 1984 rund 14 Milliarden Euro an die Atomindustrie vergeben. Deutschland habe sich mit fast vier Milliarden Euro beteiligt.
Für den EURATOM-Haushalt von 2021 bis 2027 hat die EU-Kommission ein Budget von 2,4 Milliarden Euro vorgesehen. Deutschland sei mit einem Anteil von etwas mehr als 20 Prozent einer der größten Finanzierer der Atomgemeinschaft. Seine Beteiligung sei laut FÖS im Jahr 2019 sogar leicht angestiegen.
EU- und EURATOM-Mitgliedschaft verquickt
In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Koalition aus Union und SPD festgeschrieben, den EURATOM-Vertrag "an die Herausforderungen der Zukunft" anpassen zu wollen. Dies solle die Politik "dringend angehen", fordert Tangermann. "Denn dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hierzulande auch nach dem Atomausstieg noch jahrelang ein einseitiges Förderregime im Sinne der Atomlobby alimentieren sollen, ist ein Skandal."
Auch Österreich, das sich 1978 gegen eine Nutzung der Atomenergie entschied, habe in den vergangenen 35 Jahren geschätzte 367 Millionen Euro an die EURATOM-Gemeinschaft gezahlt. Ein Verlassen von EURATOM ohne gleichzeitigen Austritt aus der EU sei derzeit praktisch kaum möglich, kritisiert Greenpeace Energy.
AKW-Subventionen gegen Beihilferecht?
Das sei umso problematischer, weil man als "Zwangsmitglied auch den Bau weiterer gefährlicher Reaktoren" in ganz Europa indirekt unterstütze, merkt Tangermann an.
Denn von der EU-Kommission und hohen Gerichten werde das EURATOM-Vertragswerk immer wieder so ausgelegt, dass Staaten den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken quasi nach Belieben subventionieren könnten – auch entgegen den Vorgaben des EU-Beihilferechts.
Forschungsförderung der Kernfusion
"Atomkraft ist ein Irrweg und keine praktikable Zukunftstechnologie im Sinne des Klimaschutzes – auch wenn die Industrielobby hier ewige Luftschlösser wie die Kernfusion propagiert", äußert Tangermann. Stattdessen sollte in klimafreundliche Energieträger investiert werden, die sicherer und kostengünstiger seien.
Die Forschung an der Kernfusion mache den größten Teil des Budgets von EURATOM aus. Diese Technologie wurde unter anderem im Jahr 2018 mit 156 Millionen Euro gefördert – also mit rund 25 Millionen Euro mehr als noch im Vorjahr. Es sei aber "sehr unsicher, wann und ob Fusionsreaktoren wie ITER überhaupt einmal Energie" auf eine wirtschaftliche Art und Weise erzeugen könnten, so FÖS-Expertin Swantje Fiedler. (ab)