Strom

Minikraftwerke im Rhein: Schwimmender Schwarm von Strombojen

Der Strom erzeugt Strom: Besondere Bojen sollen mit der starken Rheinströmung nahe der Loreley Energie gewinnen. Eines dieser Kleinstwasserkraftwerke kann 100 Haushalte versorgen. Bewährt sich die Technologie, könnte sie weltweit zum Einsatz kommen.
19.05.2019

Die 16 Strombojen können rund 400.000 Kilowattstunden jährlich erzeugen.

Der große Bohrer auf dem weiß-blauen Katamaran dreht sich immer tiefer. Wenige Kilometer vom weltberühmten Loreley-Felsen entfernt bohrt er im Grund des Rheins sechs Meter tiefe Löcher für die Verankerung von Ketten. An ihnen sollen künftig 16 Strombojen befestigt werden: schwimmende Kleinstwasserkraftwerke. Sie sehen aus wie Torpedos. Innen dreht sich jeweils ein Rotor. Die Rheinströmung soll ihn antreiben, ein damit verbundener Generator Strom erzeugen. "In Deutschland gibt es so große Strombojen noch nicht", sagt Norbert Burkart, Geschäftsführer von Strom-Boje Mittelrhein.

Im Prinzensteiner Fahrwasser, einem Nebenarm des Rheins ohne Berufsschifffahrt bei St. Goar, sollen die elf Meter langen Miniwasserkraftwerke künftig knapp unter dem Wasserspiegel ökologisch Energie für Anwohner produzieren. Das Wasser fließt hier mit einer Geschwindigkeit von 3,5 bis 4 Meter pro Sekunde. "15 bis 20 Bojen ersetzen ein Windrad", erläutert Burkart. "Eine Boje kann 100 Haushalte mit Strom beliefern." Rund 400.000 Kilowattstunden pro Jahr seien somit möglich. Im Juni werde die erste Strom-Boje des österreichischen Herstellers Aqua Libre erwartet, ein Vorserienmodell. Mehrere Monate später sollen die übrigen 15 Bojen einer neuen Kleinserie kommen, alle jeweils sieben Tonnen schwer. Der Durchmesser der zweiflügeligen Rotoren beträgt zweieinhalb Meter.

Anspruch auf Einspeisung

Am Rheingrund fixiert, sollen Stromkabel von den Bojen ans Ufer, und in die Erde eingebettet, bis zu einer hochwasserfreien Trafostation führen. Ein weiteres Kabel soll diese mit dem Stromnetz des St. Goarer Stadtteils Fellen verbinden. "Nach dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) haben wir Anspruch auf Einspeisung", sagt Burkart.

Nach Aussagen von Mario Spiewack, Leiter des bundesweiten Netzwerks Technologiekompetenz Fluss-Strom, könnte man sich den Einsatz auch weltweit dezentral in Regionen ohne Stromversorgung vorstellen. Das sei umweltfreundlicher und leiser als Dieselaggregate. "Die Smart Hydro Power GmbH am Starnberger See zum Beispiel macht das mit etwas kleineren Anlagen bereits."

Keine Gefahr für Fische

Der Hersteller Aqua Libre spricht von vielen Vorteilen der torpedoähnlichen Minikraftwerke, die Strom-Boje Mittelrhein bestellt hat: keine Baustellen, keine Staudämme, kein Lärm, keine Beeinträchtigung des Welterbes Oberes Mittelrheintal, keine Pausen wie bei stillstehenden Windrädern und keine Gefahr für Fische. Die Schwingungen würden Fische vermutlich auch davon abhalten, den Rechen gegen Treibgut zu durchschwimmen. Bei Untersuchungen von Aqua Libre in der Donau in der Wachau habe sich ebenfalls keine große Gefahr für Tiere im Wasser ergeben. Außerdem sei Strom-Boje Mittelrhein mit den Genehmigungen ein Fisch-Monitoring vorgeschrieben worden, also die Beobachtung mit Videokameras. (dpa/hp)