Strom

Neue Netzleitstelle der Stadtwerke Gießen auch für Dritte

Bislang haben die Stadtwerken Gießen zwei Netzleitstellen unterhalten. Hinter der neuen Leitwarte steckt nun eine völlig neue Organisation. Die Netzüberwachung will der Kommunalversorger künftig als Dienstleistung anbieten.
07.03.2018

Jens Schmidt, Kaufmännischer Vorstand der SWG, Gießens Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich, Stadträtin und SWG-Aufsichtsratsvorsitzende Astrid Eibelshäuser, Leiter der Netzleitstelle Kai Timmermann und IT-Sicherheitsbeauftragter Jörg Scheibelberger bei der Inbetriebnahme der Netzleitstelle.

"Die neue Energiewelt erfordert von allen Akteuren auf dem Markt mehr Flexibilität", begründete Jens Schmidt, Kaufmännischer Vorstand der Stadtwerke Gießen (SWG), die Entscheidung für eine neue 1,5-Millionen-Euro-Netzleitstelle. Sie wurde jetzt nach drei Monaten Testbetrieb offiziell in Betrieb genommen. Hinter der mit modernster Technik ausgestatteten Leitwarte steckte eine völlig neue Organisation. Bislang hatten die SWG eine Leitstelle für das Fernwärmenetz und eine zweite für die Strom-, Erdgas- und Wassernetze. "In der Vergangenheit hatte das durchaus seine Berechtigung, so Schmidt. Nun aber speisen immer mehr erneuerbare Energiequellen ins deutsche Stromnetz, die Spezialisten müssten immer schneller reagieren, um die damit verbundenen Schwankungen auszugleichen.

Zudem verschärfen die offenbar zunehmenden Wetterextreme die Situation in einer Netzleitstelle. "Das Risiko für eine echte Krise – etwa wegen eines Sturms, der eine Hochspannungsleitung zerstört – hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht", verdeutlicht Astrid Eibelshäuser, Aufsichtsratsvorsitzende der SWG. Beiden Risiken treten die Stadtwerke nun mit ihrer neuen Leitwarte entgegen. Die neue Organisation ermögliche es, die Leitstelle mit dem gleichen Personal rund um die Uhr zu besetzen. Kommt es außerdem zu einem Stromausfall, ist das Fernwärmenetz zwangsläufig mit betroffen. Denn ohne Strom funktionieren weder Brenner noch Pumpen. "Die Kollegen sitzen jetzt im gleichen Raum – im Grunde direkt nebeneinander", erläutert Kai Timmermann, Leiter der Netzstelle. Das erleichtere die Abstimmung und die gemeinsame Arbeit an ein und demselben komplexen Problem spürbar.

Dienstleistung für andere Netzbetreiber

Eine wesentliche Aufgabe der Schaltwärter ist es, Störungen, die trotz aller Sorgfalt in der Wartung immer wieder auftreten, zu erkennen und zu beheben. Oder zumindest zeitnah eine Reparatur zu veranlassen. Das passiert regelmäßig und bleibt nicht selten von den Kunden unbemerkt. "Mit der durchgehenden 24/7-Besetzung der Leitwarte haben wir jetzt optimale Bedingungen geschaffen", ist sich Matthias Fink sicher. Dazu gehört auch ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS), das die Stadtwerke im Dezember nach ISO 27001 zertifizieren haben lassen. "Bei einer solchen Zertifizierung zählt jedes Detail, von der Zugangsregulierung über die Vergabe der Verantwortlichkeiten bis hin zu klar definierten Arbeitsprozessen und einer transparenten Risikobewertung", zählt Timmermann auf. Jährlich kommen die Prüfer für kleinere Audits, alle drei Jahre steht eine vollständige Rezertifizierung an.

Ihr Know-how möchten die SWG auch anderen Netzbetreibern zur Verfügung stellen: "Wir planen die Netzüberwachung künftig als Dienstleistung anzubieten", sagt Vorstand Schmidt. An der Nachfrage sollte es ihm zufolge nicht scheitern, schließlich stünden alle Netzbetreiber vor den gleichen Herausforderungen. Allerdings hätten bei weitem nicht alle die finanziellen Möglichkeiten wie die SWG, und die allerwenigsten würden auf vergleichbaren Niveau starten. Vor allem kleinere Kommunen, die ihre Netze selbst betreiben, dürften sich für eine solche Option interessieren. Die Chancen stünden nicht schlecht, dass von der neuen Netzleitstelle aus in Zukunft auch Netze in ganz anderen Regionen Deutschlands kontrolliert werden, so die SWG. (sg)