Strom

Offshore: Mehr Netzkapazität als erzeugter Windstrom

Drei Prozent der deutschen Stromerzeugung kommen inzwischen aus Nord- und Ostsee. Inzwischen gibt es allerdings mehr Kapazitäten für den Abtransport als für die Erzeugung von Windstrom.
12.07.2018

Wo soll sie herkommen, die Energie? Online-Plattformen wie En-Portal machen den Handel transparent.

Die Windkraftwerke in der Nordsee haben in den ersten sechs Monaten des Jahres 8,17 Terawattstunden Strom erzeugt und damit 5,15 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das teilte der Netzbetreiber Tennet am Mittwoch in Bayreuth mit. Damit hat sich das Wachstum der Offshore-Windenergie deutlich verlangsamt; im ersten Halbjahr 2017 hatte das Plus noch bei 50 Prozent gelegen. Das liegt daran, dass gegenwärtig weniger Windparks neu ans Netz gehen als zu Beginn der Offshore-Windkraft.

Zur Nordsee-Erzeugung dazu kommen noch einmal 0,9 Terawattstunden (TWh) aus der Ostsee, die nicht zum Tennet-Netzgebiet gehört, so dass insgesamt gut neun TWh Strom von den fast 1200 Offshore-Windkraftwerken auf dem Meer stammen. Das entspricht rund drei Prozent der deutschen Stromerzeugung.

Optimierungspotenzial vorhanden

Die vorhandenen Kapazitäten des Tennet-Übertragungsnetzes, um Strom von den Windparks an Land zu transportieren, werden nach Darstellung des Unternehmens gegenwärtig nicht ausgeschöpft. «Wir sehen hier ein deutliches Potenzial zur Optimierung», sagte Tennet-Vorstand Lex Hartman. In der Nordsee liefen in absehbarer Zeit rund 660 Megawatt Netzkapazität ungenutzt leer. «Diese freien Ressourcen könnte der Gesetzgeber über eine zusätzliche Ausschreibung an Offshore-Windparks vergeben», sagte Hartman. «Mit Blick auf das neue Ziel der Bundesregierung, wonach der Anteil an erneuerbaren Energien bis 2030 mindestens 65 Prozent erreichen soll, sollten wir solche Potenziale nutzen.»

In der Nordsee hat Tennet gegenwärtig zehn Offshore-Anschlusssysteme in Betrieb, die zusammen 5332 Megawatt Strom von den Windparks an Land bringen können. Dem stehen Windkraftwerke mit einer Kapazität zur Stromerzeugung von 4716 Megawatt gegenüber. Maximal erreicht haben die Windparks an ihrem besten Tag, dem 31. März dieses Jahres, 4431 Megawatt. Das entspricht der Leistung von vier bis fünf großen Atomkraftwerken. Gegenwärtig sind zwei Offshore-Windparks mit einer Leistung von 780 Megawatt in Bau und fünf weitere Projekte mit rund 1500 Megawatt geplant. Mehr ist bis Ende 2020 gesetzlich gar nicht möglich.

Bis 2023 drei weitere Tennet-Anbindungssysteme

Idealerweise entwickeln sich die Erzeugungs- und Leitungskapazitäten im Gleichschritt. Tennet will bis 2023 drei weitere Anbindungssysteme fertigstellen, so dass dann mehr als 8000 Megawatt zur Verfügung stehen und bis 2027 fast 11 000 Megawatt. Bislang gibt es einen Ausbaudeckel von 15 000 Megawatt oder 15 Gigawatt Leistung in Nord- und Ostsee bis 2030, doch bemüht sich die Branche gemeinsam mit den meisten Politikern in Norddeutschland und den Gewerkschaften, dieses Ausbauziel auf 20 Gigawatt anzuheben. Die Bundesregierung hat sich dazu noch nicht konkret geäußert.

Verknüpfung mit dem niederländischen Stromnetz

Zudem plädiert TenneT dafür, künftig auszuschreibende, westlich gelegene deutsche Nordsee-Windparks mit dem niederländischen Stromnetz zu verknüpfen. Eine kostengünstige Lösung könnte eine solche Verbindung nach Eemshaven sein. Weil dieser Netzverknüpfungspunkt direkt an der Küste liegt, könnten 100 Kilometer Erdkabel in Deutschland und somit rund 200 Millionen Euro eingespart und gleichzeitig Engpässe im deutschen Stromnetz an Land umgangen werden.

Die dafür notwendige Rechtssicherheit lasse sich durch einen deutsch-niederländischen Staatsvertrag herstellen, der regle, dass die deutschen Windparks weiterhin der deutschen Regulierung und Offshore-Haftungsregelung unterliegen. In den Niederlanden plant TenneT bereits eine Verbindung nach Großbritannien, indem die künftigen Windparks „Ijmuiden Ver“ und „East Anglia“ mit einem kurzen Kabel verbunden werden sollen, sodass ein Interkonnektor zwischen den beiden Ländern entsteht. (dpa/sg)