Strom

Warum die Redispatch-Kosten zuletzt so stark schwankten

Es ging auf und ab seit Juli 2021, wobei die Ausschläge nach oben deutlich stärker ausfielen. Doch was steckt dahinter? Ein Gastbeitrag.
10.11.2023

Dass die Redispatch-Kosten im ersten Quartal 2023 wieder nachließen, ist auch auf gesunkene Brennstoffpreise zurückzuführen, schreibt Energy-Brainpool-Analystin Elena Dahlem.

Von:
Elena Dahlem,
Energieanalystin
Energy Brainpool


Lange führte das Thema Redispatch ein Schattenleben in der großen, komplexen Energiewelt. Doch mit dem Ausbau erneuerbarer Energien im Norden und vermehrten Netzengpässen Richtung Süden hat es das Instrument zuletzt vermehrt auf die bundespolitische Bühne geschafft.

Denn Redispatch-Einsatz und -Kosten sind seit 2020 deutlich gestiegen.

Zwischen 32 und 477 Millionen Euro

Zur Einordnung: Mit Redispatch sind von Netzbetreibern angeordnete Eingriffe in den Fahrplan von Stromerzeugungsanlagen gemeint, um Leistungsüberlastungen im Stromnetz vorzubeugen oder zu beheben.

Dabei schwankten die Redispatch-Kosten nach Zahlen des Netzbetreiberverbands Entso-E zwischen Juli 2021 und Juli 2023 stark. Sie bewegten sich je nach Monat zwischen 32 und 477 Millionen Euro.

Wenig Angebot in Süddeutschland

Im vierten Quartal 2021 stiegen die Kosten vor allem, weil das Angebot im Süden der Republik zurückging. Hohe Lieferkosten für Kohle bei Niedrigwasser machten Kohlekraftwerke in Süddeutschland unwirtschaftlich.

Zudem fiel wegen Beschädigungen ein Umspannwerk bis zum Jahresende aus, was das Übertragungsnetz in Südwestdeutschland belastete und durch Redispatchmaßnahmen ausgeglichen wurde.

Entwicklung der Redispatch-Kosten (exklusive Countertrading-Kosten) zwischen Juli 2021 und Juli 2023:

  • Die Darstellung basiert auf Daten von Entso-E Transparency. Die dargestellten Kosten für das Redispatching umfassen die Kosten für multilaterale Abhilfemaßnahmen (MRAs), unterbrechbare Lasten, das Einspeisemanagement erneuerbarer Energien und die Aktivierung von Reserveleistung. Bis Ende September 2021 beinhalten die Redispatching-Kosten die geschätzten Kosten für das Einspeisemanagement der erneuerbaren Energien. Von Anfang Oktober 2021 an enthalten die Redispatchkosten die geschätzten Kosten für Redispatch 2.0.

Rekordkosten im Februar 2022

Im ersten Quartal 2022 setzte sich die Nicht-Verfügbarkeit von Kraftwerken wegen Niedrigwassers fort. Zudem führte die vermehrte Netzeinspeisung aus Windkraftanlagen infolge von Sturmtiefs im Februar sowie damit verbundene Abregelungsmaßnahmen zu Rekordkosten von 477 Millionen Euro.

Durch eine Integration einer früheren Verantwortlichkeit der Bilanzkreisverantwortlichen für Erneuerbaren- und KWK- Strom in die Aufgaben des Netzbetreibers im Redispatch-System änderte sich außerdem die Berechnungsgrundlage des Instruments. Daraus ergaben sich höhere Kosten, wenngleich die Neuregelung die Menge transferierten Stroms nicht beeinflusste.

Steigende Brennstoffpreise

Auch im zweiten Quartal 2022 blieb die Auslastung der Ost-West-Lastflüsse wegen hoher Stromexporte nach Frankreich hoch. Ferner führten starke Winde im April zu einer überdurchschnittlichen Netzauslastung. In der Folge kamen Redispatch-Maßnahmen weiter häufig vor, auch wenn die Kosten im Vergleich zum ersten Quartal deutlich sanken.

Im dritten Quartal 2022 ließen steigende Brennstoffpreise die Redispatch-Kosten erneut nach oben klettern. Aber auch die geringere Einspeisung erneuerbarer Energien und die damit verbundene finanzielle Kompensation an die Bilanzkreisverantwortlichen im Rahmen der BDEW-Übergangslösung trugen zum Anstieg bei. Diese Trends setzten sich im vierten Quartal 2022 fort, weshalb die Redispatch-Kosten im November mit rund 338 Millionen Euro wieder ein hohes Niveau erreichten.

Viel Offshore-Windkraft abgeregelt

Im ersten Quartal 2023 entspannte sich die Lage etwas. Diese Entwicklung ist auf den mengenmäßigen Rückgang des Redispatch und gesunkene Brennstoff- sowie Großhandelspreise zurückzuführen.

Auffallend war dabei, wie viel Offshore-Windkraft abgeregelt wurde. Zwischen Januar und März waren es rund 2200 Gigawattstunden (GWh). Dies lässt sich insbesondere auf den Zubau von Offshore-Windkapazität zurückführen.

Hohe Redispatch-Kosten in Tennet-Regelzone

Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2021 wurden noch rund 1500 GWh abgeregelt. Im vierten Quartal 2022 waren es rund 1300 GWh. Die Zahlen stammen von der Bundesnetzagentur.

Im Juli gingen die Redispatch-Kosten wieder nach oben. Dies galt insbesondere für die Tennet-Regelzone, die die windstromstarke Nordseeküste und das industriestarke Bayern umfasst.

Das Berliner Analysehaus Energy Brainpool schreibt jeden Monat für die ZfK-Printausgabe einen Bericht zu neuen Entwicklungen auf den Energiemärkten, der von nun an auch online veröffentlicht wird.

Info: Täglich aktualisierte Energiemarktdaten und -grafiken finden Sie hier im ZfK-Datenraum, der in Kooperation mit Energy Brainpool befüllt wird.