Strom

Tschechien setzt weiterhin auf Kernkraft-Ausbau

Die Ausschreibung für den Bau eines neuen Reaktors mit einer maximalen Leistung von 1200 MW könnte bis Jahresende erfolgen.
28.05.2020

Das tschechische Atomkraftwerk Temelin ist weniger als 60 Kilometer von der Grenze zu Bayern entfernt.

Tschechien will den Bau eines neuen Kernreaktors mit einem Staatskredit fördern. Das kündigte Ministerpräsident Andrej Babis am Donnerstag an. "Unser Hauptziel ist, dass wir günstigen Strom für unsere Bürger und für unsere Industrie haben", betonte der Gründer der populistischen Partei ANO. Es wird erwartet, dass die neue Anlage auf dem Gelände des bestehenden Atomkraftwerks Dukovany rund sechs Milliarden Euro kosten wird. Davon soll der Staat nach den Plänen rund 70 Prozent als günstigen Kredit finanzieren. Dukovany liegt knapp 100 Kilometer nördlich von Wien und 200 Kilometer östlich von Passau.

Für den Multimilliardär und Unternehmer Babis ist dies eine Kehrtwende. In der Vergangenheit hatte er wiederholt erklärt, dass der Betreiber CEZ den Bau ohne staatliche Hilfe stemmen könne. Die Regierung rechnet nun damit, dass ein Rahmenvertrag mit dem teilstaatlichen Unternehmen bis Ende Juni unterschriftsreif ist. Die Ausschreibung für den Reaktorneubau mit einer maximalen Leistung von 1200 Megawatt (MW) könnte bis Jahresende erfolgen, der Sieger bis Ende 2022 feststehen.

Über 50 Prozent Kernkraft-Anteil am Strommix geplant

Anders als Deutschland setzt Tschechien weiter auf die Atomkraft. Ihr Anteil am Strommix soll nach den Plänen der Regierung in Prag bis 2040 sogar auf mehr als die Hälfte ansteigen. Kritiker warnen vor den hohen Kosten der Kernenergie. Industrieminister Karel Havlicek sagte indes der Zeitung "Hospodarske noviny": "Wenn es gut gemacht ist, werden wir daran verdienen - und Verbraucher und Industrie werden davon profitieren."

Die deutsche Grünen-Politikerin Sylvia Kotting-Uhl sagte: "Die tschechische Kehrtwende zeigt, dass Atomkraft nur mit massiven staatlichen Investitionen funktioniert." Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag kritisierte, das Nachbarland stürze sich in ein "Mega-Projekt mit ungewissem Ausgang". Die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, staatliche Finanzierungen für Atomkraftwerke in Europa zu verbieten. (dpa/hil)