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Über den Sinn von Fledermaus-Monitoring 

Windräder haben teils riesige Rotorblätter. Die können neben Vögeln auch Fledermäuse töten. Um das Risiko zu minimieren, ist ein Fledermaus-Monitoring Pflicht im Genehmigungsverfahren. Das ist aufwendig, zum Nutzen gibt es höchst unterschiedliche Meinungen.
12.12.2018

Fledermäuse sind eine bedrohte Tierart und genießen Artenschutz.

Länge und Tonlage des Schreis verraten den Verursacher. Frank Adorf und sein Kollege Carsten Braun vom Büro für Faunistik und Landschaftsökologie in Bingen kennen sie alle ­– sei es die Mopsfledermaus, Rauhautfledermaus oder der Kleinabendsegler. Die Biologen erstellen Gutachten zu Fledermaus-Monitorings an Windkraftanlagen. Das ist nicht ganz einfach, denn die Tiere sind nachts unterwegs und kommunizieren in für Menschen nicht hörbaren Tonlagen. Basis für die Gutachten sind Aufnahmen von Geräuschen von in luftiger Höhe an Windkraftanlagen befestigten Rekordern. 

Beauftragt werden solche Sachverständige von Anlagenbetreibern. Die Gutachten sind verpflichtender Teil des Genehmigungsverfahrens. Die Experten prognostizieren, wie groß das Risiko an einem bestimmten Standort ist, dass Fledermäuse zu Tode kommen. Letztlich legen sie Zeiten fest, an denen eine Anlage aus artenschutzrechtlichen Gründen stillstehen soll. Für die Betreiber ist das nicht immer erfreulich, kürzere Laufzeiten bedeuten weniger Erträge.

Ziel ist ein rechtssicherer Betrieb

Es sei dennoch nicht sinnvoll, weniger strikte Sachverständige zu suchen, sagt Felix Wächter, Sprecher des Wörrstädter Energiespezialisten Juwi. «Ziel ist immer ein rechtssicherer Betrieb.» Das sei auch beim sogenannten Repowering ein großes Thema, wenn alte durch neue und oft größere Anlagen ersetzt werden. Das mache ein komplettes Genehmigungsverfahren nötig. Grundsätzlich seien Genehmigungen viel komplexer als früher. Einst seien nur einige Seiten nötig gewesen, mittlerweile brauche es hunderte Seiten an Unterlagen. «Das ist eine ganz andere Dimension.» 

Die Aufnahmegeräte für das Monitoring sind am hinteren Ende der Gondel untergebracht – dem Maschinenhaus einer Windkraftanlage, an dem auch die Rotorblätter angebracht sind. Die Geräte lauschen in der Regel nach der Inbetriebnahme zwei Jahre lang von März bis November, wie Adorf erklärt. Tagsüber muss für ein paar Stunden der Akku aufgeladen werden, dann schlafen Fledermäuse aber ohnehin. Jedes Jahr entsteht ein Zwischenbericht. Weichen Ergebnisse stark voneinander ab, wird oft ein weiteres Jahr drangehängt. Den genauen Zeitpunkt lege die Genehmigungsbehörde fest, erklärt Juwi-Sprecher Wächter. 

Das Fenster erhöhter Aktivität feststellen

Wie aktiv Fledermäuse des Nachts sind, hängt unter anderem von Wind und Temperatur ab. Oft werden Windräder kurz vor Sonnenuntergang und bis kurz nach Sonnenaufgang bei Windgeschwindigkeiten von bis zu sechs Metern pro Sekunde und Temperaturen ab zehn Grad abgeschaltet. Bei stärkerem Wind und kühleren Werten sind die Tiere eher nicht unterwegs. Je nach genauem Standort können die Eckdaten für Abschaltungen feinjustiert werden. «Es geht darum, am jeweiligen Ort das Fenster deutlich erhöhter Aktivität festzustellen», sagt Adorf. 

Im Einsatz sind die vollautomatischen Rekorder, die für den Menschen größtenteils nicht hörbare Frequenzen zwischen etwa 15 und 150 Kilohertz aufzeichnen, seit ungefähr zehn Jahren. Davor habe man am Boden unter Anlagen nach Schlagopfern gesucht, also getöteten Tieren, berichten Adorf und Braun. Nun lieferten die Aufnahmen belastbare und lückenlose Erkenntnisse über längere Zeiträume. Das habe auch die Sensibilität der Windkraftbranche für das Thema erhöht.

"Fledermausfreundlicher" Betrieb

Charlotte Reutter vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Rheinland-Pfalz sagt, Windräder könnten mit Abschaltzeiten «sehr fledermausfreundlich» betrieben werden. Allerdings werde von den unteren Naturschutzbehörden nicht immer wirklich kontrolliert, ob die Vorgaben eingehalten werden. Sie wünscht sich nach dem Monitoring weitere spätere Prüfungen. Reutter gibt auch zu bedenken, dass Rotorflügel heutiger Windräder so groß seien, dass die Rekorder nicht mehr auf der ganzen Länge Tierschreie erfasst könnten. 

Das sagt auch Harry Neumann von der Naturschutzinitiative. Die Fledermaus-Aktivität könne nicht an den gesamten Rotoren erfasst werden. «Das Gondelmonitoring kann keine validen Daten als Berechnungsgrundlage für Abschalt-Algorithmen liefern.» Temperatur und Wind würden nur punktuell gemessen, auf den gesamten Rotorbereich übertragen und so «systematisch unterschätzt». Zudem gebe es Fledermausarten, die auch bei höheren Windgeschwindigkeiten als sechs Meter pro Sekunde und Temperaturen von unter zehn Grad fliegen.

Fledermaus-Schutz nur dort, wo es keine Windräder gibt 

«Fledermäuse können nur wirksam geschützt werden, wenn in ihren Lebensräumen keine Windenergieanlagen errichtet werden», sagt Neumann. Abschaltzeiten seien weder wirksam noch würden sie systematisch überprüft, auch wegen fehlenden Personals in den Genehmigungsbehörden. «Es handelt sich um "Scheinmaßnahmen", um die politisch gewollten Anlagen zu ermöglichen.»

Auch Adorf sagt, eine hundertprozentige Erfassung sei nicht möglich. Die Aufzeichnungen in der Höhe hätten Tücken und seien aufwendig. Immer wieder seien Störgeräusche zu hören, die Empfangsqualität der Geräte variiere je nach Luftfeuchtigkeit. Ab und an muss die Speicherkarte in den zwischen 3500 und 8000 Euro teuren Rekordertypen von der ungefähren Größe eines Funkgeräts ausgetauscht werden. Das Gerät hat eine SIM-Karte, regelmäßig landen Status-Mitteilungen von Anlagen im Südwesten und Süden Deutschlands in dem Binger Büro. Die Aufnahmen werden per Computer vorab ausgewertet, er filtert Sequenzen mit Fledermausrufen heraus, die die Experten dann gezielt kontrollieren können.

Man weiß noch sehr wenig über Fledermäuse

Sie schauen sich auch Graphen an, die akustischen Bilder der Laute. Ein gerader Strich bei ungefähr 42 Kilohertz sei typisch für eine Zwergfledermaus im freien Luftraum, erklärt Braun. Einen tieferen und längeren Ruf bei 18 Kilohertz habe der deutlich größere Abendsegler. Einige Fledermäuse ließen sich klar identifizieren, andere ähnelten sich von den Rufen sehr, sagt Adorf. Dann könne nur eine Gattung oder Ruf-Gruppe bestimmt werden. Trotz aller Aufzeichnungen wisse man noch immer wenig über Fledermäuse. «Das steckt noch in den Kinderschuhen.» (dpa/al)