Strom

Windkraft-Ausbau soll Tempo aufnehmen

Niedersachsen rühmt sich gerne, Vorreiter der Energiewende zu sein. Doch auch zwischen Harz und Nordsee ist der Ausbau der Erneuerbaren ins Stocken geraten. Dreht sich der Wind jetzt wieder?
10.01.2022

Für die Erreichung der Ampel-Klimaziele muss der Windkraftausbau kräftig anziehen.

Die Erneuerbare-Energien-Branche in Niedersachsen hofft auf neuen Rückenwind für den Ausbau von Wind- und Solarenergie - auch dank der Ampelkoalition im Bund. Das neue Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und FDP verfolgt das Ziel, die Stromproduktion bis 2030 zu 80 Prozent aus Erneuerbaren zu decken. «Das ist erreichbar», sagt die Chefin des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE), Bärbel Heidebroek. «Aber nicht, wenn wir nur hier und da ein paar Schräubchen drehen. Es muss einen Paradigmenwechsel geben.» Bisher habe der Wille zur Veränderung gerade in den Kommunen oft gefehlt.

Große Hoffnungen in die Energiewende setzt auch Ministerpräsident Stephan Weil. «Auf der Basis des Koalitionsvertrags können wir davon ausgehen, unsere Position als Spitzenreiter bei den Erneuerbaren Energien noch einmal deutlich ausbauen zu können», frohlockte der SPD-Politiker zuletzt. Voraussetzung dafür sei aber eine wesentliche Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Nach wenig Zubau nun Trendwende in Sicht

Wie sehr der Motor beim Ausbau der Windkraft zuletzt ins Stottern geraten ist, zeigen die Zahlen: Wurden im Jahr 2017 noch 485 Windenergieanlagen in Niedersachsen gebaut, waren es drei Jahre später nur noch 48. Jetzt zeichnet sich jedoch eine kleine Trendwende ab. Im Jahr 2021 wurden 104 Windräder zwischen Harz und Nordsee errichtet, für 178 weitere lagen noch nicht umgesetzte Genehmigungen vor. Das zeigen Daten der Fachagentur Windenergie an Land.

Ein Schritt in die richtige Richtung sei das, sagt LEE-Chefin Heidebroek. Doch ausreichend, um die Ziele der Ampelkoalition zu erreichen, seien auch diese Zahlen längst nicht. Auf 1,1 Prozent der Landesfläche stehen bisher 6434 Windenergieanlagen. Aber nur etwa die Hälfte der belegten Fläche ist auf Dauer gesichert, weil dort die Modernisierung alter Anlagen ohne Weiteres möglich ist. Dabei strebt das Land an, die Fläche für die Windkraft bis 2030 auf 2,1 Prozent fast zu verdoppeln.

Mehr PV benötigt

Die installierte Leistung der Windkraft made in Niedersachsen soll dann 30 GW betragen, statt wie heute 11,83 GW – eine Zielvorgabe, die noch auf den niedrigeren Ausbauzielen der früheren Bundesregierung basiert. Um das 80-Prozent-Ziel der Ampel zu erfüllen, müssten nach LEE-Einschätzung noch mehr Anlagen her.

Und auch der Ausbau der Solarenergie müsse beschleunigt werden, fordert Heidebroek. Einfachere Ausschreibungsverfahren und Vorgaben zur Eigennutzung brauche es dafür, kurz: weniger Bürokratie. Dann könne Niedersachsen bis 2040 auch das selbstgesteckte Ziel von 50 GW über Dachflächen und 15 GW auf Freiflächen mit Photovoltaik (PV) erreichen. Zur Einordnung: Im Jahr 2020 lag die installierte PV-Leistung in Niedersachsen bei insgesamt 4,7 GW.

65 000 Jobs hängen an der Energiewende im Land

Deutschlandweit fallen durch den Ausstieg aus der Kohle und der Atomenergie nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) bis 2030 rund 31 Gigawatt installierte Leistung weg, bis 2038 sogar mehr als 48 GW.

«Die niedersächsische Wirtschaft braucht einen beschleunigten Ausbau von Windenergie und Photovoltaik bei gleichzeitiger Planungssicherheit», erklärte Energieminister Olaf Lies (SPD) jüngst mit Blick auf diese Zahlen. «Die Kapazitäten an erneuerbaren Energien werden dann zu einem enorm wichtigen Standortfaktor für das Land Niedersachsen. Denn die Industrie folgt immer der Energie.» Für etwa 65.000 Menschen im Land ist die Frage nach der Zukunft der erneuerbaren Energien schon heute mehr als eine politische Diskussion. Ihre Jobs hängen nach Angaben des LEE direkt oder indirekt von der Erneuerbare-Energien-Branche ab. (dpa/lm)