"Die Wärmewende ist keine Systemgastronomie"
Für Carsten Liedtke steht fest: Bei der Wärmewende kann es keine "One size fits All"-Lösung geben. Sie sei keine „Systemgastronomie“. „Wir Stadtwerke kochen à la carte für jede Stadt“, machte der Vizepräsident des VKU und Vorstandssprecher der SWK Stadtwerke Krefeld auf der Stadtwerke-Jahrestagung des Handelsblatts klar. Die Rezepte für die Wärmeplanung würden vorliegen, nun müsse es darum gehen, diese hoffentlich unverändert an die Köche der Wärmewende vor Ort weiterzugeben.
Die Fernwärme werde vielerorts ein wichtiger Baustein der Wärmwende sein. Vorwürfe wie der einer mangelnden Regulierung oder zu hoher Preise wies Liedtke zurück. Auch der Forderung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, dass die Fernwärme den ÖPNV nicht subventionieren soll, kann der Stadtwerkechef nichts abgewinnen. „Das geht doch gar nicht anders!“ Die Fernwärme sei ein Geschäft wie jedes andere auch. Stadtwerke seien darauf angewiesen, mit der Fernwärme Geld zu verdienen und einen Teil der Überschüsse in die Bäder oder eben den ÖPNV zu investieren. „Das ist strukturell so gewollt.“
Gleichbehandlung gefordert
Aber auch Wasserstoff werde für den Wärmemarkt gebraucht – da, wo die Elektrifizierung nicht sinnvoll und ein Wärmenetz nicht wirtschaftlich ist, betonte Liedtke. Mit den aktuellen Rahmenbedingungen und Ideen der BNetzA – Stichwort: nachgewiesene Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff, Verpflichtung der Netzbetreiber, die Verfügbarkeit von H2 zu garantieren – ist Liedtke unzufrieden. „Bei der Wärmepumpe wird das doch auch nicht gefordert!“ Man könne zwar nicht wissen, was Wasserstoff im Jahr 2035 kosten werde. Beim Strom wisse man das aber auch nicht. Klar sei, dass es in Zukunft nicht nur für die Stadtwerke, sondern auch für die Kunden teurer werde. „Soviel Ehrlichkeit müssen wir aufbringen und mit den Konsequenzen umgehen.“
Von vielen Unsicherheiten und Ängsten rund um das Thema Wärmewende berichtete auch Karin Thelen, Geschäftsführerin „Regionale Energiewende“ bei den Stadtwerken München. Technisch sei die Wärmewende machbar, aber bei der Umsetzung gebe es viele Hürden, etwa die Flächenkonkurrenz.
Doppelförderung vermeiden
Sie und ihre Mitdiskutanten auf dem Podium waren sich weitgehend einig, dass es auf längere Sicht eine Anpassung der Förderprogramme für die Wärmewende geben müsse. Im großen Stil Wärmepumpen in einem Gebiet zu fördern, in dem die Stadtwerke ein Fernwärmenetz bauen wollen, könne nicht die Lösung sein. „Hier eine doppelte Förderung aufrechtzuerhalten, könnte am Ende sogar die Einführung einer Anschlusspflicht für die Fernwärme befördern“, gab Martina Butz, Chefin der Stadtwerke Hanau zu bedenken. In Hanau habe man im Fernwärme-Vertrieb gute Erfahrungen damit gemacht, potenziellen Kunden ein „All-inclusive-Paket“ anzubieten. „Ich bin mit der Fernwärme alle meine Sorgen los – diese Argumentation funktioniert bei vielen.“
Mit zu hohen Erwartungen räumte der SPD-Bundestagsabgeordnete Helmut Kleebank auf. „Nicht alle Wärmelösungen werden in Zukunft überall zur Verfügung stehen.“ Eine „vollkommene Freiheit“ werde es nicht geben. In der konkreten Situation, so Kleebank weiter, würden sich viele an sich funktionierende Lösungen schlichtweg nicht rechnen.
Hansmann glaubt nicht an Wasserstoff in der Gastherme
Dass es den einen Weg zur Klimaneutralität im Wärmebereich nicht geben wird, wurde auch in der Diskussion mit Marc Hansmann, Vorstandsmitglied für Finanzen und Infrastruktur des hannoverschen Energieversorgers Enercity, undCatharina Friedrich, Geschäftsführerin der Westenergie-Tochter DigiKoo deutlich. „Jedes Stadtwerk muss seinen eigenen Weg finden“, sagte Hansmann. So setze Hannover anders als andere Kommunen oder Stadtwerke nicht auf Wasserstoff in der Gastherme, sondern auf Fernwärme und Wärmepumpen, die Enercity auch selbst vertreibt.
Rund 7,6 Mrd. Euro wird Enercity bis 2035 in das Ziel der Klimaneutralität investieren. „Dazu brauchen wir Fremdkapital in erheblichem Umfang“, erläuterte Hansmann, der früher Kämmerer der Stadt Hannover war. „Technisch kriegen wir das alles hin, aber die Wärmewende muss auch bezahlbar bleiben“, mahnte Hansmann.
Wie sage ich es meinen Kunden?
Aber wie sollten Stadtwerke ihre Kunden auf die kommenden Veränderungen und Herausforderungen vorbereiten? Enercity rate in Gesprächen aktiv vom Einbau einer H2-ready-Heizung ab, berichtete Marc Hansmann.
Typisch für die Stadtwerke-Landschaft sei diese „sehr progressive Beratung“ nicht, sagte Catharina Friedrich. Das Gasnetz werde mindestens für den Übergang noch gebraucht, führte sie aus. Kunden schon jetzt per Brief darauf hinzuweisen, dass man ihnen bald den Gashahn zudreht, sei kein guter Ansatz. „Ich halte das für völlig verfrüht.“ (amo)