Abfallwirtschaft

Streit um Restmüll im Bioabfall

Das Bundesumweltministerium will den Anteil senken. Kompostanlagen-Betreiber sollen dafür zuständig sein. Diese schieben die Verantwortung der Müllabfuhr zu.
11.02.2021

Wenn zu viel Störstoffe im Bioabfall sind, nimmt die Müllabfuhr die braune Tonne vielerorts nicht mit.

 

Damit weniger Plastiktüten in Biotonnen landen und später in Kompostieranlagen enden, werden in der Abfallwirtschaft Forderungen nach schärferen Kontrollen laut. Bei der Abholung sollten die Müllwerker häufiger in die Biotonne gucken und diese – nach Hinweisen an die Bewohner – auch mal stehenlassen, sagt Bernd Jörg, Vize-Chef des Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse). Das sei zwar «das letzte Mittel», aber mitunter nötig, um die Qualität von angeliefertem Bioabfall zu erhöhen. Teilweise enthalte dieser bis zu 15 Prozent Fremdstoffe, was eine teure Verbrennung nach sich ziehe.

Kontrollen von Biotonnen bei der Abholung gibt es zwar schon, die Müllabfuhren in den Kommunen handhaben sie aber unterschiedlich. Nichtökologischer Müll in der Biotonne ist seit langem ein Problem – ob Windeln, Konserven, Alufolie oder Plastiktüten. Es gibt zwar biologisch abbaubare Plastiktüten, deren Nutzen ist aber umstritten.

Änderung der Bioabfallverordnung

Hintergrund der Forderung ist ein Reformvorschlag des Bundesumweltministeriums zur Bioabfallverordnung. Ein zentraler Punkt hierbei ist die Vorschrift, dass Bioabfälle vor der Behandlung künftig nicht mehr als 0,5 Prozent Fremdstoffe enthalten dürfen. Für die Einhaltung des Werts sollen die Betreiber der Bioabfallanlagen verantwortlich sein – sie müssten sortieren und aussieben. Das tun sie zwar schon, hierfür gibt es aber bisher keine prozentualen  Vorgaben. Ihre Arbeit würde durch die Regelung aufwendiger und Anlagen müssten wohl für viel Geld nachgerüstet werden.

Der Chef des Branchenverbandes BDE, Peter Kurth, hält den Störstoff-Wert für «praxisuntauglich». Um mehr Bioabfälle im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu sammeln, seien mehr Biotonnen erforderlich, aber auch eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit und mehr Kontrollen, sagt er. Kurth sieht bei den Siedlungsabfällen die Kommunen in der Pflicht. Diese müssten die von ihnen beauftragten städtischen oder privatwirtschaftlichen Müllabfuhren entsprechend instruieren, um beim Einsammeln des Bioabfalls strenger vorzugehen.

Sorgen um Mikroplastik

Der bvse-Vertreter Jörg hält die 0,5 Prozent nur für machbar, wenn die Qualität des angelieferten Materials besser werde. Er fordert einen separaten Fremdstoff-Maximalwert: Das an der Behandlungsanlage angelieferte Bio- und Grüngut sollte nicht mehr als drei Prozent Gesamtfremdstoffe enthalten dürfen. Das würde die Müllabfuhr in die Pflicht nehmen – die müsste stärker auf den Inhalt der Tonnen achten.

Pro Jahr sammeln die Müllabfuhren in Deutschland rund 10 Mio. Tonnen «biogene Siedlungsabfälle» ein, die großteils aus Haushalten kommen. Der Abfall verrottet und wird Kompost für Gärten und Äcker. Sorgen gibt es wegen Plastikteilchen, die in dem Kompost verblieben sein könnten. Um solche Umweltrisiken zu minimieren, will Berlin handeln und die Qualität des Bioabfalls verbessern.

Unterschiedliche Stichproben-Ergebnisse

Und wie ist die Qualität der angelieferten Mengen derzeit? So wirklich klar ist das nicht, da es keine umfassenden Messungen gibt. Einen Hinweis bietet eine Untersuchung des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), der städtische Müllabfuhren und kommunale Kompostieranlagen-Betreiber repräsentiert: Im August führten Mitgliedsfirmen Stichproben durch, um den Fremdstoff-Gehalt ihrer Bioabfälle festzustellen. Ergebnis: Bei Anlieferungen aus zwölf Wohngebieten lag der Wert zwischen 0,3 und 5,5 Prozent. bvse-Verterter Jörg, der für privatwirtschaftliche Firmen spricht, nennt hingegen höhere Zahlen und spricht von bis zu 15 Prozent Fremdstoffgehalt.

Auch der VKU hält es für sinnvoll, den Inhalt von Biotonnen schon bei der Abholung zu prüfen – damit Abfallmengen, bei denen Fremdstoffe erkennbar sind, gar nicht erst in die Anlage kommen. «Das passiert vielerorts bereits systematisch», sagt eine VKU-Sprecherin. Für die Sammlung beziehungsweise Anlieferung einen Störstoff-Maximalwert festzulegen, davon hält der VKU zum jetzigen Zeitpunkt aber wenig – angesichts der teilweise sehr hohen Anteile an Störstoffen wäre das ebenso praxisfern wie die 0,5-Prozent-Vorgabe für die Verarbeitung.

Probleme wegen "Bioplastik"

Der Verband fordert verständliche und klare Vorgaben, welche Sorten von Bioplastik kompostierbar seien – solche Vorgaben fehlten bisher. Derzeit würden Tüten, Becher oder sogar Kleidung fälschlicherweise als kompostierbar deklariert, so die Sprecherin. In Wirklichkeit sei ein Großteil dieser Produkte aber nicht in den Anlagen abbaubar. (dpa/hp)