Abfallwirtschaft

Immer mehr Plastik: Umweltschützer fordern drastisches Umsteuern

Die Zahlen übersteigen die Vorstellungskraft. 400 Millionen Tonnen Plastik werden pro Jahr produziert, seit 1950 insgesamt mehr als acht Milliarden Tonnen, heißt es im neuen Plastikatlas. Umweltschützer mahnen eine radikale Wende an – auch, um den Klimawandel zu bremsen.
07.06.2019

Der Plastikatlas zeichnet ein verheerendes Bild des weltweiten Aufkommens an Kunststoffmüll. Um die Plastikflut zu Wasser und zu Land zu stoppen, brauche es schärfere Regeln für die Industrie, so Umweltschützer.

Im Kampf gegen die weltweite Umweltverschmutzung mit Kunststoffen fordern Umweltschützer ein Verbot von Mikroplastik und strengere Vorgaben der Politik für Energie- und Chemiekonzerne. Es brauche eine Plastikwende, sagte der Chef der Umweltorganisation BUND, Hubert Weiger, am Donnerstag.

Vor allem globalen Energie- und Chemiekonzernen müsse die Politik striktere Grenzen setzen, sagte Barbara Unmüßig, Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. "Ein paar Dutzend Unternehmen" stellten den Großteil der Produkte her, die später als Plastikabfall zurückblieben. Beide präsentierten in Berlin einen Plastikatlas mit Zahlen und Hintergründen.

Neue Kapazitäten für Plastikproduktion widersprüchlich

Plastik wird aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas hergestellt und braucht in der Umwelt teils mehrere Hundert Jahre, um sich zu zersetzen. Mikroplastik, also kleinste Plastikpartikel etwa aus Reifenabrieb, Kosmetika oder Abwasser, finden Wissenschaftler inzwischen auch an entlegenen Orten der Erde – und in Lebensmitteln.

Aus Sicht der Autoren des Plastikatlasses darf Politik nicht nur Verbraucher adressieren, obwohl auch deren Konsumverhalten wichtig sei. Auf EU-Ebene würden Produkte wie Plastikstrohhalme und -besteck verboten, das sei auch gut so, sagte Unmüßig. "Wir erleben aber gleichzeitig, wie Europa zuschaut, wie neue Kapazitäten für die Plastikproduktion geschaffen werden." Nicht nur Konsumenten, auch die Produzenten müssten in die Verantwortung genommen werden. Die fünf größten Plastikkonzerne seien ExxonMobil, BASF, Eni, INEOS und Dow.

Nicht einmal ein Zehntel des Plastiks wird wiederverwertet

BUND-Chef Weiger forderte unter anderem ein generelles Verbot von Mikroplastik, das etwa in Kosmetik eingesetzt wird, sowie ein Verbot von Schadstoffen in Kunststoff, die über Recycling etwa in Kinderspielzeug oder in Lebensmitteln landen können. Plastik müsse teurer werden, damit Mehrweg-Verpackungen konkurrenzfähig würden.

Die Zahlen im Plastikatlas sind drastisch: Über 400 Mio. Tonnen Kunststoff werden demnach pro Jahr weltweit hergestellt, zwischen 1950 und 2015 waren es insgesamt 8,3 Mrd. Tonnen. Nicht einmal ein Zehntel davon sei recycelt worden. Mehr als ein Drittel der hergestellten Kunststoffe wird für Verpackungen verwendet. Schätzungen zufolge würden rund 40 Prozent der Plastikprodukte in weniger als einem Monat zu Abfall, sagte Unmüßig.

Signal aus der Politik in Richtung Mikroplastik-Verbot

Nach Darstellung des Plastikatlasses trägt der Plastikboom erheblich zum zunehmenden Ausstoß von Treibhausgasen bei. "Weltweit nimmt der Ölverbrauch in keinem anderen Bereich so stark zu wie bei der Herstellung petrochemischer Produkte", heißt es dort. Treibhausgase entstünden auch bei der Entsorgung und Verbrennung.

Die Bundesregierung beschäftigt sich ebenfalls mit Mikroplastik. Auf Basis einer freiwilligen Selbstverpflichtung soll es aus Kosmetik verschwinden. Der Parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium, Florian Pronold, schloss weitergehende Vorgaben der Politik am Donnerstag nicht aus, wenn es eine solidere wissenschaftliche Grundlage dafür gebe. Teils sei es aber schwer, Alternativen zu finden, die nicht andere ökologische Nachteile hätten. Es gebe viele Forschungsvorhaben dazu. (dpa/ls)