Abfallwirtschaft

Neuer Pfandbecher gegen Stuttgarts Coffee-to-go-Müllberg

To-Go-Verpackungen sind eine der größten Herausforderungen für die Kreislaufwirtschaft. Viele Städte haben daher bereits ein Mehrwegbecher-System eingeführt, nun zieht Stuttgart nach. Aber auch Mehrweg ist aus Sicht des Umweltschutzes nicht ganz einwandfrei.
07.10.2019

Immer mehr Städte und Kommunen springen auf die Trendwende des Mehrwegbechers auf. Aber auch der ist ökobilanziell nicht einwandfrei.

Hunderttausendfach greifen Kaffeetrinker in Deutschland zu - und werfen den Becher danach in den Müll. Rund 2,8 Mrd. Einwegbecher landen auf diese Weise Jahr für Jahr in Deutschland im Abfall, im Gebüsch oder auf der Straße.

In Stuttgart allein sind es etwa 80.000 Stück - täglich. Mit einem Pfandbecher will die Stadt gegen diese Müll-Flut beim schnellen Kaffee unterwegs angehen. Ähnliche Systeme verschiedener Anbieter gibt es bereits in Baden-Württemberg, unter anderem in Schwäbisch Hall, Freiburg, Heidelberg und am Bodensee.

Kooperation mit Recup

Der Einwegbecher sei «ein Symbol für eine Ex-und-Hopp-Gesellschaft» und ein Problem im öffentlichen Raum, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) bei Ankündigung des Systems in der Landeshauptstadt. «Entweder vermüllen achtlos weggeworfene Becher Parks oder Grünanlagen, oder sie verstopfen öffentliche Abfalleimer, weil sie sperrig sind.» Der Einwegbecher sei «ein Symbol für eine Ex-und-Hopp-Gesellschaft».

Am geplanten Kreislaufmodell des Anbieters Recup nehmen auch in Stuttgart vor allem Cafés oder Bäckereien teil. Wer seinen Kaffee unterwegs trinken möchte, bestellt ihn im Mehrweg- statt im Einwegbecher und hinterlegt ein Euro Pfand, das es gegen den leeren Becher zurückgibt in einem der beteiligten Betriebe. Die Becher werden vor Ort gereinigt und anschließend direkt wieder eingesetzt.

Bereits 27 Partner im Südwesten

Wie in anderen Kommunen auch, gibt es den Pfandbecher in Stuttgart in einer eigenen Städte-Edition. Darauf zu sehen sind die Wahrzeichen der Stadt wie der Fernsehturm, die Stiftskirche oder das Mercedes-Benz- und Porsche-Museum.

«Generell sind wir sehr zufrieden mit der Situation in Baden-Württemberg», sagt Stefanie Mühleder von Recup (München). Städte-Kooperationen gebe es im Südwesten mit Ulm/Neu-Ulm, Heidelberg, dem Allgäu, der Bodensee-Region und Böblingen. Deutschlandweit arbeitet Recup mit 27 Städten oder Regionen zusammen, die Becher werden nach Angaben Mühleders in 3100 Stationen angeboten.

 

Freiburg ist zufrieden mit seinem vor drei Jahren eingeführten eigenen Angebot, dem «FreiburgCup». «Der Becher hat gerade bei jüngeren Leuten einen hohen Stellenwert», sagt Dieter Bootz, der Sprecher der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg (ASF). Erfolgreich sei er vor allem in Szene-Cafes, im Uniklinikum und an den Hochschulen, während Kaffeetrinker in Bäckereifilialen eher noch zum Einwegmodell griffen.

Wichtig sei, dass Kunden von Verkäufern in einem der rund 1170 Teilnehmerläden angesprochen würden auf das Angebot, sagt Bootz. Eine weitere Erfahrung: Nicht selten wird der Becher nicht zurückgegeben, sondern in der eigenen Küche eingesetzt, oft auch von Touristen als Souvenir gekauft. «Von den 32.000 bislang in Umlauf gebrachten Bechern sind das vielleicht zehn bis 15 Prozent.» Bislang hätten sich aber die großen Kaffeeanbieter wie McDonalds oder Starbucks in Freiburg noch nicht dem Pfandsystem angeschlossen.

Große Fastfood-Kette mit an Bord

In Heidelberg ist das anders: «Bei uns bieten 30 Betriebe den Becher an, darunter auch McDonalds», heißt es bei der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung. Vom Interesse der Heidelberger am Pfandsystem sei die Stadt überrascht.

Seit dem Sommer des vergangenen Jahres nimmt auch der Landkreis Schwäbisch Hall am Pfandsystem des Anbieters «Recup» aus München teil. Allein im Landkreis Hall landeten jährlich schätzungsweise 6,5 Mio. Coffee-to-go-Becher im Müll, teilt die Verwaltung mit. Durch das Pfandsystem würden Ressourcen und CO2 eingespart, das Abfallaufkommen reduziert.

Nur vermeindlich umweltfreundlich?

Denn Einwegbecher sind nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe vielleicht komfortabel, sie sind aber kaum recycelbar und müssen verbrannt werden. Außerdem werden bei der Produktion Ressourcen wie Holz und Erdöl eingesetzt, aber nur für eine Viertelstunde verwendet. Die Herstellung braucht zusätzlich Energie und Wasser, Chemikalien kommen auch zum Einsatz.

Damit der Pfandbecher umweltfreundlich wird, muss allerdings laut Umweltbundesamt eine Bedingung erfüllt sein: Mindestens zehn Mal, besser öfter, müssen die Becher wiederverwendet werden. Für den Klimaschutz sollte es sogar mehr als 50 Mal sein. Einen Einweg-Deckel dürfen sie nicht haben, der verdirbt die Bilanz. (dpa/ls)