Deutschland

Beschleunigter Kohlausstieg bringt für NRW große Probleme

Bei einer Neuauflage der Großen Koalition in Berlin würde der Kohleausstieg beschleunigt. Das sorgt in Nordrhen-Westfalen für Unmut – und für Geldforderungen.
20.02.2018

Nordrhein-Westfalen ist das bundesdeutsche Energie-Bundesland Nr. 1. Hier stehen die meisten Steinkohlekraftwerke, und auch die meisten verbliebenen deutschen Braunkohlegruben befinden sich am Niederrhein. Die Energiewende, die nach dem Willen von Union und SPD beschleunigt werden soll, betrifft daher speziell die Region an Rhein und Ruhr. Das moniert NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP): „Durch den Koalitionsvertrag sind zahlreiche Planungen – insbesondere für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Netze – verändert worden. Dazu werden wir den Fahrplan für das kommende Jahrzehnt neu justieren müssen.“

Pinkwart fordert, dass Anreize zum schnelleren Ausstieg über Anreize geschaffen werden, also über einen „Leistungsmarkt“. Konkret soll das so aussehen, dass bei steigendem Anteil Erneuerbarer Energien die Bereitstellung konventioneller Kraftwerkskapazitäten honoriert wird: „Ohne einen Leistungsmarkt werden sich dafür keine Investoren finden.“ RWE wird im kommenden Jahr insgesamt fünf Kraftwerksblöcke in der sogenannten Leistungsreserve haben, bis 2023 laufen die Planungen. Doch der Minister blickt schon weiter: „Auch nach 2030 wird Kapazitäten an gesicherter Leistung im Netz benötigen. Zusammen mit dem Betreiber sollten wir uns anschauen, was da möglich ist.“

Sorge um Arbeitsplätze – nicht nur um die Umwelt

Fast ein Drittel der in Deutschland produzierten Energie kommt aus Kraftwerken, die in NRW stehen. Betrieben werden sie zum größten Teil mit Stein- oder Braunkohle. 30.000 Arbeitsplätze hängen allein am Niederrhein von der Braunkohle ab, sowohl im Tagebau als auch in den dazugehörigen Kraftwerken. Ein schnellerer Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, wie sie der Koalitionsvertrag im Falle seiner Umsetzung vorsieht, gefährdet nach Pinkwarts Angaben die generelle Wirtschaftlichkeit der Tagebaue. Und das ginge, so der Minister, letztlich zulasten der Renaturierung ausgekohlter Gebiete.

Bis 2030 sollen, so sieht es der Berliner Koalitionsvertrag vor, vier Gigawatt an zusätzlicher Kapazität in Erneuerbaren Energien ans Netz gebracht werden. Das wird, so Pinkwart, die bisherigen Planungen für den Netzausbau in NRW obsolet machen. Die erweiterten Ausbaupläne, die anhand der neuen Planungen unumgänglich seien, würden aber den Strompreis in die Höhe treiben. Auch deswegen erwartet der Minister, dass aus Berlin deutlich verbesserte Zusagen für eine Erhöhung von Bundesmitteln kommen: „Grundsätzlich sollten wir darüber sprechen, wie wir den Ausbau der Erneuerbaren finanzieren wollen. Verteilungsgerechtigkeit bekommen wir hier nur durch eine Finanzierung über den Bundeshaushalt.“ Die Ausnahmen für energieintensive Unternehmen der Stahl-, Aluminium-, Papier- und Chemibranche, die bereits bestehen, würden nicht ausreichen. Rund 250.000 Arbeitsplätze in besonders energieintensiven Produktionsprozessen könnten in NRW bei linea steigenden Energiepreisen in Gefahr geraten. (sig)