Deutschland

"In hochtechnischen Debatten geht die Realität verloren"

Schottet sich die Energiewirtschaft von der Zivilgesellschaft ab? Beim Energie-Gipfel des Handelsblatts sprach eine Fridays for Future-Aktivistin.
17.01.2023

Annika Rittmann, Aktivistin bei Fridays for Future, spricht beim Energie-Gipfel.

„Sind es Orte wie diese, wo Veränderung passiert?“, fragt Annika Rittmann in ihrer Jeansjacke in den Raum voller Anzug-tragender Männer. „Orte wie diese, wo fossile Konzerne wie RWE eingeladen sind?“ Die Fridays for Future-Aktivistin spricht beim Energie-Gipfel des Handelsblatts in Berlin. Auf das Branchentreffen richtet sich dieses Jahr ein ungewohntes Interesse der Öffentlichkeit: einerseits wegen der Energiekrise, anderseits wegen der Klimakrise.

Attac blockierte Zugang

Während in Lüzerath die Bagger rollten, saßen schon am Montagmorgen Attac-Aktivist:innen vor dem Berliner Congress Center, blockierten einen Zugang und verteilten das „Wandelsblatt“: eine satirische Broschüre mit Headlines wie „Energie? Vergesellschaftet!“. Die Kritik von Attac: Der Gipfel sei eine elitäre Veranstaltung ohne die Zivilgesellschaft. Die Verteidigung der Veranstalter: Es sei nun einmal ein Branchentreffen. Eine Einladung zur Diskussion auf dem Podium lehnte ein Attac-Vertreter ab. Anders verhielt sich die Aktivistin und Studentin Annika Rittmann, die als Speakerin eingeladen war.

Von Lüzerath nach Berlin

Am Wochenende zuvor hätte Rittmann noch im Matsch in Lüzerath gestanden, wo RWE 28 Millionen Tonnen Kohle abbaggern wird. Am Dienstagmorgen steht sie nun auf dem Podium in Berlin. „Wir können diese Menge Kohle nicht verbrennen, ohne 1,5 Grad zu reißen“, sagt sie. Da mache es auch keinen Unterschied, ob der Kohleausstieg 2030 oder später sei. Es würde sich sogar rechnen, mehr Kohle früher zu verbrennen, da die CO2-Preise noch niedriger seien.

„Solange fossile Konzerne die Energiewende machen, wird es keine geben. Keine schnelle und keine faire“, sagt Rittmann. Der Dringlichkeit der Klimakrise seien sich die Anwesenden hier schon bewusst. Doch in den hochtechnischen Debatten ginge die Realität verloren, „insbesondere, wenn wir sie vielleicht nicht wahrhaben wollen“.

Wir haben die Technologien, die wir brauchen.

Die Aktivistin drängt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. „Wir haben die Technologien, die wir brauchen“, sagt sie. Doch statt diese konsequent auszubauen, würde darüber gesprochen, welche Technologien entwickelt werden müssten. Annika Rittmann erzählt von der Studie des Wuppertal Instituts, das beschrieben hat, wie die Wende gewinnen könne.

Appell an die Energiebranche

Rittmann wendet sich auf der Bühne an die Energiebranche: „Sie haben hier so viele Hebel in der Hand, nutzen Sie sie! Es liegt an Ihnen, Orte wie diese zu Orten der Veränderung zu machen. Hören Sie auf, Verantwortung von sich wegzuschieben, erkennen Sie die globalen nicht verschiebbaren Grenzen an.“ Der Saal applaudiert der Klima-Aktivistin. (pfa)