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Liebing: "Aufwand-Nutzen-Verhältnis geplanter Erlösabschöpfung immer fraglicher"

Auch das aktualisierte Modell berge die Gefahr von größeren Ungerechtigkeiten. EEG-Anlagen-Betreiber würden künftig dann kaum noch PPAs abschließen, warnt der VKU-Hauptgeschäftsführer.
13.11.2022

"Auch der operative Aufwand wird immens sein": VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing

Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche ein konkretisiertes Konzept zur Finanzierung der geplanten Strompreisbremse vorgelegt. Im Kern ging es dabei um die teils sehr komplexen Modalitäten der Erlösabschöpfung von Stromerzeugungsanlagen.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) warnt in einem Pressestatement vor den Folgen der Umsetzung des geplanten Konzeptes. Die Abschöpfung von Übergewinnen aus der aktuellen Energiekrise sei zwar grundsätzlich nachvollziehbar, die vorgesehene Ausgestaltung greife jedoch massiv in etablierte Marktmechanismen ein, mahnte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. „Das birgt das Risiko von gravierenden Nachwirkungen. Auch der operative Aufwand wird immens sein“.

Im Hinblick auf die langsam wieder absinkenden Preise stelle sich auch die Frage der Verhältnismäßigkeit dieses Instruments. Im Oktober 2022 werde voraussichtlich ein Wind Onshore-Monatsmittelwert von 128 Euro/MWh erzielt werden. Die Preishöhen seien damit also weit entfernt von denjenigen aus dem Sommer. „Die Prognose für den/diesen November sieht ähnlich aus. Mit sinkenden Preisen wird es auch immer weniger abzuschöpfen geben, so dass das Aufwand-Nutzen-Verhältnis immer fraglicher wird“, führte Liebing weiter aus.

Zu geringe Sicherheitszuschläge

Bei den meisten Anlagenbetreibern sollen virtuelle Erlöse die Abschöpfungsgrundlage sein, die anhand eines theoretischen Benchmarks ermittelt würden. Das vorgesehene Modell berücksichtige aber nicht, inwieweit diese Erlöse bei den Unternehmen tatsächlich entstanden seien. „Damit droht die Gefahr, dass Erlöse abgeschöpft werden, die bei den Unternehmen gar nicht entstanden sind“. Die im Modell vorgesehenen Sicherheitszuschläge seien zu gering, um drohende Ungerechtigkeiten abzufedern. 

Nach Einschätzung des VKU ist dies auch ein Grund, weshalb Betreiber von EEG-Anlagen kaum noch direkte Stromlieferverträge abschließen werden. Schließlich sei vorgesehen, dass die Basis der Abschöpfung auch hier die möglichen Einnahmen am Spotmarkt sein sollen, selbst wenn die Erlöse aus dem PPA darunterliegen würden.

"Hedging-Korrektur nicht in jedem Fall geeignet"

Auch das vorgesehene Verfahren der Hedging-Korrektur, das den Abschöpfungsbetrag bei Strommengen, die langfristig verkauft wurden – zu Preisen unterhalb heutiger Spotmarktpreise – entsprechend reduziere, sei nicht in jedem Fall geeignet, Anlagenbetreiber vor der Abschöpfung nicht vorhandener Erlöse zu schützen. „So wird beispielsweise übersehen, dass die am Terminmarkt eingegangenen Lieferpflichten nicht immer mit der Anlagenverfügbarkeit korrespondieren“, erklärte der VKU-Hauptgeschäftsführer.

Insbesondere bei wärmegeführten KWK-Anlagen sei das nicht der Fall. Wenn die Anlage zum Liefertermin keinen Strom produzierten, müsse Strom zu unkalkulierbaren Preisen am Spotmarkt beschafft werden. Daraus entstehende Verluste seien im Regierungskonzept der Hedging-Korrektur nicht berücksichtigt.

Ein weiterer Kritikpunkt des VKU ist, dass die Erlösobergrenze für EEG-geförderte Anlagen zum Teil weit unterhalb derjenigen für Anlagen ohne EEG-Förderung liegt.

Nachbesserungsbedarf auch bei thermischer Abfallverwertung

Kritisiert wird außerdem, dass der Referenzwert für Abfallverstromungsanlagen mit 10 ct pro kWh deutlich zu niedrig bemessen sei. Die thermische Abfallverwertung sei in der aktuellen Energiekrise doppelt belastet: Erstens seien die Kosten für Hilfs- und Betriebsstoffe deutlich angestiegen. Zweitens wirke sich die Energiekrise auch auf die Konjunktur und damit das Müllaufkommen aus. Beide Effekte verteuerten den Betrieb von Abfallverbrennungsanlagen und führten zu steigenden Energieerzeugungskosten und Risiken. 

Auch die Preise auf dem Altholzmarkt seien enorm gestiegen und zudem sehr volatil. Dieser Entwicklung träge das Abschöpfungskonzept nicht Rechnung, da es auf historische Stromerlöse Bezug nehme, heißt es weiter. (hoe)