Deutschland

Studie: Verfall der Strompreise droht

Hält Frankreich weiterhin an der Kernkraft fest und modernisiert alte Atommeiler, so drohen ein Verfall der Strompreise und ein hoher Export von Strom nach Deutschland. Deshalb ist ein koordiniertes Vorgehen zwischen Deutschland und Frankreich wichtig.
19.03.2018

Der französische Atommeiler in Fessenheim am Rhein liegt nahe der deutschen Grenze.

Deutschland und Frankreich sollten bei der Transformation ihrer Energiesystem gemeinsam und in hohem Maße abgestimmt vorgehen. Sonst kommt es zu großen energiewirtschaftlichen Verwerfungen, lautet das Resultat einer gemeinsamen Studie von Agora Energiewende aus Berlin und des Institutes for Sustainable Development and International Relations (IDDRI) aus Paris. Im Klartest heißt dies: Beide Länder sollten sich rasch auf eine Reduzierung bei Atomenergie und Kohleverstromung einigen. Grund für diese zu erwartenden Folgen ist die hohe Verzahnung beider Länder.

Dramatische Auswirkungen könne vor allem ein Alleingang Frankreichs haben. Sollte Frankreich im Jahr 2030 weiterhin Kernkraftwerke mit einer Leistung von 63 GW betreiben und dafür sämtliche bestehenden Kernkraftwerke mit großem Kostenaufwand modernisieren, im gleichen Zuge aber auch die Erneuerbaren Energien ausbauen, so wäre ein erheblicher Stromüberschuss die Folge, erklärten die Denkfabriken in einer Pressemitteilung. Dieser würde sowohl zu einem Preisverfall am Strommarkt in Frankreich und der EU führen als auch zu erheblichen Stromexporten nach Deutschland und in andere europäische Länder.

Stranded Assets in Frankreich

Eine solche Export-Strategie Frankreichs würde jedoch nicht genügend Einkommen generieren, um die Modernisierungen der Kernkraftwerke zu refinanzieren, stellte die Studie fest. Bereits Modernisierungen in einem Umfang von mehr als 50 GW Leistung würden zu Stranded Assets in Frankreich führen, wobei der wirtschaftliche Schaden mit jedem zusätzlichem Gigawatt modernisierter Kernkraftwerksleistung überproportional wachsen würde. Zu wachsenden Stromexporten Frankreichs würde es bereits kommen, wenn das Land mehr als 40 GW Kernkraftwerke im Jahr 2030 in Betrieb hielte. Zudem würde Frankreich sein Ziel, den Kernenergieanteil im Strommix auf 50 Prozent zu reduzieren, erst nach 2030 erreichen können.

Auch Deutschland ist gefordert: Sollte Deutschland weiterhin an der Kohleverstromung festhalten, so könne dies zu einem noch größeren Verfehlen der Klimaziele führen.

Stärkere Vernetzung nötig

Frankreich sollte deshalb aus wirtschaftlichen Gründen bis 2030 die Leistung seiner Kernkraftwerke von derzeit 63 auf 50 GW reduzieren, Deutschland aus Klimaschutzgründen seine Kohleverstromung halbieren. Parallel dazu sollten beide Länder die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien wie geplant erhöhen: Bis 2030 soll den aktuellen politischen Zielen 40 Prozent des produzierten Stromes in Frankreich aus Erneuerbaren Energien stammen, in Deutschland soll ihr Anteil am Strommix laut Koalitionsvertrag auf 65 Prozent wachsen. Zudem sollten die Stromleitungen zwischen den Ländern Europas verstärkt werden, davon würden insbesondere die Stromverbraucher profitieren.

Das koordinierte Vorgehen beider würde im Ergebnis dazu führen, dass Deutschland, Frankreich und deren Nachbarn sich gegenseitig bei der Stromversorgung unterstützen würden. Bei einem CO2-Preis von 30 bis 50 Euro pro Tonne könnte zudem die Stromerzeugung aus den erneuerbaren Energien Windkraft und Photovoltaik weitgehend am Strommarkt finanziert werden.

Politisches Eingreifen wäre sinnvoll

Für Deutschland zeigt die Studie, dass CO2-Preise von 30 bis 50 Euro zwar helfen, die Verstromung von Kohle zu reduzieren, allerdings nicht in dem Maße, das nötig wäre, um Deutschlands Klimaziel 2030 zu erreichen. Eine Erhöhung der CO2-Preise oder ein Kohleausstieg würde jedoch die Refinanzierung von Strom aus Erneuerbaren Energien am Markt bis 2030 deutlich verbessern. Die Studie empfiehlt daher ein derartiges politisches Eingreifen. Eine engere Zusammenarbeit von Deutschland und Frankreich würde zudem die Versorgungssicherheit in beiden Ländern auf hohem Niveau aufrechterhalten.

„Höhere CO2-Preise zum Beispiel durch einen CO2-Mindestpreis im Emissionshandel wären aus Klimaschutzsicht zentral. Sie würden zu einem moderaten Anstieg der Strompreise für die Verbraucher führen – übrigens in beiden Ländern gleich. Auf der Erzeugungsseite sind die Effekte unterschiedlich: Während französische Kernkraftwerksbetreiber von höheren CO2-Preisen wirtschaftlich profitieren, liegt auf deutscher Seite der Nutzen bei Gaskraftwerksbetreibern sowie bei der Umwelt durch geringere Kohleverstromung. Damit dies nicht zu sehr hohen Kernenergie-Stromexporten von Frankreich führt, besonders nach Deutschland, wäre eine politische Vereinbarung zwischen den beiden Ländern sinnvoll: Frankreich würde sich verpflichten, die Überkapazitäten seiner Kernkraftwerke zu verringern. Im Gegenzug würde Deutschland eine deutsch-französische Initiative für einen CO2-Mindestpreis aktiv unterstützen“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende.

Die Hauptstudie ist in französischer Sprache erschienen, eine Kurzfassung gibt es auch in deutscher und englischer Sprache. (al)