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Was Unternehmen Rechtsextremismus entgegenstellen können

Auch das Homeoffice schwäche unsere Debattenkultur, erklärt Strategieberater Heiko Kretschmar. Jetzt müssten auch Unternehmen den öffentlichen Raum zurückerobern.
02.02.2024

Viele kommunale Unternehmen und ihre Lenker haben sich öffentlich geäußert – hier eine zufällige Auswahl an LinkedIn-Posts.

Sie stehen ein für ein offenes und buntes Deutschland. Nach Medienberichten über rechtsextreme Zusammenkünfte äußern sich immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer öffentlich. Auch, wer sich noch nicht geäußert hat, stellt sich die Frage: Wie kommunizieren wir? Die Interviewreihe „Kommunikation und Populismus“ sucht die Antwort für die Unternehmenskommunikation auf das Erstarken der extremen Rechten in Deutschland. In Teil 1 erklärt Kommunikationsberater Heiko Kretschmer die Chancen und Risiken aus seiner Sicht.

Herr Kretschmer, viele Unternehmen positionieren sich gerade öffentlich gegen Rechtspopulismus. Wie schätzen Sie als Kommunikator so etwas ein?

Plakative Aktionen der Unternehmensführung mit einem Logo unter einer Anzeige drücken eine wichtige Haltung aus – leider gilt hier aber oft der Grundsatz: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Denn im schlimmsten Fall füttern solche Statements sogar die populistische Erzählung von der Elitenkritik. Nach der haben sich die politischen und wirtschaftlichen Eliten „da oben“ gegen die Bevölkerung verschworen.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Manche Unternehmer haben kommuniziert „Wer die AfD wählt, schadet dem Standort Deutschland und der Wirtschaft.“ Rechtspopulisten wandeln das in „Seht ihr, die Globalisten wollen um jeden Preis Profit machen, sie kümmern sich nicht um deutsche Arbeitslose und Geringverdiener, sondern um ihr Portemonnaie.“

  • Heiko Kretschmer ist Gründer-Geschäftsführer von „Johanssen + Kretschmer Strategische Kommunikation”. Seine Schwerpunkte sind Stakeholder-Kommunikation und die kommunikative Begleitung öffentlicher Debatten. Zudem engagiert er sich im Wirtschaftsforum der SPD.

Sollten die Pläne der AfD also nicht kritisiert werden?

Im Gegenteil. Die Kommunikation sollte aber auf positive Werte setzten, statt wirtschaftliche Interessen zu betonen. Der Münchner Soziologe Armin Nassehi führt den Rechtsruck in den westlichen Gesellschaften auf gewisse Trends zurück, insbesondere auf den Verlust unserer Ambiguitätstoleranz. Jeder glaubt die Wahrheit zu kennen, Recht zu haben und jedes politische Engagement dient der eigenen Durchsetzung. Wir brauchen also viel mehr Orte und Situationen, in denen unterschiedlich denkende Menschen wieder ins Gespräch kommen und miteinander Dinge aushandeln müssen, Kompromisse eingehen.

„Homeoffice ist eine persönliche Wohlfühlblase.“

Wenn wir nicht mehr gefordert sind, uns mit den Kolleg:innen am Arbeitsplatz oder in der Mittagspause auszutauschen und uns mit Meinungen auseinanderzusetzen, mit denen wir nicht übereinstimmen, dann wird das zu einem gesellschaftlichen Problem. Ich muss sagen, ich bin mittlerweile kein Fan des Homeoffice mehr, denn Homeoffice ist eine persönliche Wohlfühlblase, die es erlaubt den ganzen Tag in der eigenen Filterblase zu leben.

Um den Rechtsruck zu begegnen, verbieten wir also das Homeoffice?

Nein. Aber wir müssen uns wieder vergegenwärtigen, dass der Arbeitsplatz für Erwachsene neben dem Sportverein, der wichtigste Ort des gesellschaftlichen Austausches ist. Unternehmen können hier unterstützen, indem sie das Miteinander und Mitbestimmung fördern. Vielen der Protestwählern der AfD fehlt diese Selbstwirksamkeit. Sie machen die Erfahrung, dass ihre Stimme bisher keinen Unterschied gemacht hat. Setzen sie aber das Kreuz bei der AfD, gibt es eine Reaktion.

Betriebe können die Demokratie fördern, indem sie sie leben. Dazu gehört auch, dass sie ehrenamtliches Engagement fördern. Vorbilder des Engagements positiv herausstellen und vieles mehr. Kommunalen Unternehmen fällt diesbezüglich eine besondere Bedeutung zu. Solche Dinge sind natürlich anstrengend, aber sie sind wichtig und in unserer heutigen Lage unverzichtbar.

Ist es notwendig, dass sich Unternehmen jetzt positionieren?

Die Haltungsfrage und ihre öffentliche Artikulation sind notwendig. Wir dürfen nicht unterschätzen, dass es gerade im Osten Deutschlands Unternehmer gibt, die sich öffentlich auf die Seite der Rechtspopulisten stellen. Einige Initiativen sammeln offen Spendengelder für die AfD.

Am Ende geht es darum, den öffentlichen Raum nicht den Populisten zu überlassen. Wir sehen aktuell über eine Millionen Menschen, die sich engagiert haben und ihren Protest in die Straßen gebracht haben. Und das zeigt Wirkung: Ich höre Erfahrungsberichte, dass ganz aktuell bspw. die Aggressionen und Übergriffe an öffentlichen Parteiständen auf Markplätzen abnehmen, weil wir uns seit drei Jahren erstmals wieder den öffentlichen Raum zurückerobern.

Das Interview führte Pauline Faust.