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"Wir fahren auf die Märkte und stellen uns den Fragen der Kunden zur Wärmewende"

Die Wärmewende ist auch für die Unternehmenskommunikation eine große Herausforderung. Die Stadtwerke Garbsen setzen in der Übergangsphase auf ein Bürgermobil. Erfolgreiche Kommunikations- strategien stehen auch im Fokus der ersten ZfK-Media Days im November.
29.09.2023

Daniel Wolter ist Geschäftsführer der Stadtwerke Garbsen in Niedersachsen.

Eigentlich wollte Daniel Wolter bis zum Jahresende eine komplette Kommunikationsstrategie für die Wärmewende erarbeitet haben. Doch da der gesetzliche Rahmen noch nicht vollständig steht, setzt der Geschäftsführer der Stadtwerke Garbsen aus der Nähe von Hannover, momentan auf eine Übergangslösung in Form eines Bürgermobils.

Die technischen Herausforderungen bei den Preisbremsen und die jüngste Energiekrise habe die Ausgangsposition für die Stadtwerke beim Thema Wärmewende-Kommunikation eher erschwert, sagt Wolter im ZfK-Interview. Wie er nun Vertrauen zurückgewinnen und die Wärmewende in Garbsen umsetzen will, darüber berichtet er im ZfK-Interview. Kommunikationsherausforderungen kommunaler Unternehmen stehen auch im Fokus der ersten ZfK Media Days am 13./14. November in Darmstadt.

Herr Wolter, die Wärmewende ist ein komplexes Thema. Worin liegen die Hauptherausforderungen in der Kommunikation mit den Kunden?
Daniel Wolter: Lassen Sie mich hier einen Schritt zurückgehen. Wir befinden uns als Energieversorger aktuell in einer herausfordernden Situation. Uns ist bewusst, dass wir in der jüngsten Energiekrise Vertrauen bei den Kundinnen und Kunden eingebüßt haben. Wir haben jetzt die Chance, diese Erfahrung zu nutzen und aus der aktuellen Position heraus zu wachsen.

Mit der Kommunikation rund um das Thema Wärmewende wollen wir das Vertrauen unserer Kundinnen und Kunden zurückgewinnen.

Wo hat denn die Energiebranche bzw. die Stadtwerke-Branche konkret an Vertrauen eingebüßt bei den Kunden?
Ich kann hier nur über die Stadtwerke Garbsen sprechen. Bei der Umsetzung der Energiepreisbremsen und der Gestaltung der Energiepreise hätten wir transparenter informieren und mehr mit unseren Kundinnen und Kunden in den Dialog gehen sollen. Das betrifft die Kommunikation von Versäumnissen, wie teilweise verspätet versendete Rechnungen, aber auch die Bekanntmachung von Vorteilen, die die Stadtwerke Garbsen bieten.

Wir setzen bei der Energiebeschaffung
auf Versorgungssicherheit statt auf Risiko.

Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise im Vergleich zu vielen anderen Grundversorgern unsere Strompreise stabil gehalten, die Senkung der EEG‐Umlage mal außen vor gelassen. Allerdings ohne diesen Vorteil entsprechend zu kommunizieren. Als wir die Preise dann zum Jahresbeginn als Angleichung nachträglich ebenfalls erhöhen mussten – unglücklicherweise in einer Phase tendenziell fallender Preise –, wirkte es auf die Kundinnen und Kunden, als würden wir über dem Marktdurchschnitt liegen.

Die Rückkehr unabhängiger, günstiger Anbieter auf den Markt verstärkte diesen Eindruck in der Öffentlichkeit. Hierzu ist allerdings wichtig zu bedenken, dass wir Stadtwerke nicht flexibel auf kurzfristige günstige Angebote zurückgreifen können, da wir bei der Energiebeschaffung auf Versorgungssicherheit statt auf Risiko setzen.

Die damit einhergehende langfristige Beschaffung von Gas und Strom ist ein komplexer Vorgang, der leider oft nicht mit den günstigsten Konditionen einhergeht. Das den Kundinnen und Kundinnen zu vermitteln, ist eine schwierige Aufgabe.

Warum lässt sich das auf Langfristigkeit ausgerichtete Beschaffungsmodell, welches die meisten Stadtwerke nutzen, so schwer erklären?
Es gibt viele verschiedene Faktoren, die auf die Beschaffung Einfluss nehmen. Es ist schwierig, diesen komplexen Sachverhalt bei einem kurzen Telefonat oder einem Gespräch im Kundencenter in einfachen Worten schnell zu erklären. Doch genau dahin gehend wollen wir all unsere Mitarbeitenden in der Kundenberatung zukünftig energiewirtschaftlich schulen.

Zudem haben wir vor, unserer eigenen Berichterstattung mehr Raum und Zeit einzuräumen und dafür als Medien unsere Website und Social-Media-Kanäle stärker einzubeziehen. Für allgemeingültige Grundlagen-Informationen haben wir unseren Podcast „Energielevel“ an den Start gebracht. Hier vermitteln wir die komplexen Zusammenhänge allgemeinverständlich und beantworten an uns gerichtete Fragen.

Wir als Stadtwerke Garbsen hatten schon viel früher mit der Verabschiedung des Gebäudeenergie- und Wärmeplanungsgesetzes gerechnet.

Kommen wir noch Mal zum Thema Wärmewende. Wo liegen hier die konkreten Herausforderungen?
Es handelt sich für alle Marktakteure um ein komplexes, vielschichtiges Thema. Die meiner Meinung nach vielfach nicht gut abgestimmten Gesetze sorgen zudem für Verunsicherung. Das Gebäudeenergiegesetz beispielsweise ist jetzt beschlossen, das Wärmeplanungsgesetz wird wohl erst Ende des Jahres verabschiedet.

Wir als Stadtwerke Garbsen hatten damit schon deutlich früher gerechnet und hätten gern früher Planungssicherheit gehabt – nicht zuletzt deshalb, weil wir die große Aufgabe haben, die Infrastruktur für die Versorgung der Zukunft zu stellen. Unsicherheiten bestehen dementsprechend auch bezüglich Technologien, Bestandsinfrastruktur und auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit. Aber das ist längst nicht alles.

An was denken Sie da noch?
In den Kommunen herrscht teilweise ein noch unabgestimmtes Vorgehen, beispielsweise gibt es viele unterschiedliche Verantwortliche. Das Wärmeplanungsgesetz wird die Kommunen künftig in die Verantwortung nehmen, eine kommunale Wärmeplanung durchzuführen. Ich kann unseren Kundinnen und Kunden aber versichern, dass wir trotz ungeklärter Fragen bestrebt sind, den bestmöglichen Weg zu finden, und Dinge, die bereits möglich sind, anpacken. Wir bei den Stadtwerken nehmen unsere Verantwortung für den Netzausbau sehr ernst.

Wir müssen unterschiedliche technologische
und wirtschaftliche Zwänge überwinden.

Und wie machen Sie das genau?
Wir sind ehrlich zu unseren Kundinnen und Kunden. Wir sagen genau, was möglich ist und was nicht. Unsere Aufgabe ist, die Anforderungen und Chancen im Wärmebereich allgemein verständlich zu formulieren – auch in den Kommunen. Um aus den Fehlern bei anderen Infrastrukturvorhaben zu lernen, müssen wir es ganzheitlich angehen.  

Wir sehen unsere Rolle hier mehr aus der Daseinsvorsorge kommend und weniger als ein rein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen. Dann würden wir anfangen, Rosinen zu picken. Die Wärmewende sehen wir als Reise; derzeit wissen wir noch nicht, wie eine flächendeckende Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien für 100 Prozent der Gebäude realisiert werden wird.

Wir haben da eine sehr umfangreiche Aufgabe vor uns, die schwer zu bewältigen ist. Wir müssen unterschiedliche technologische und wirtschaftliche Zwänge überwinden und unsere Kundinnen und Kunden in der Kommunikation stets mitnehmen.

Was für Zwänge meinen Sie konkret?
Das kann ein Anschluss- und Benutzungszwang sein, aber perspektivisch auch das Szenario einer Teilabschaltung des Gasnetzes. Diese Zwänge können zu unangenehmen Konsequenzen bei den Kundinnen und Kunden führen. Wir wollen ihnen erklären, warum was wann der Fall sein könnte, aber auch Sicherheit geben.

Wir waren von klareren gesetzlichen Rahmenbedingungen
bis zur Sommerpause ausgegangen.

Sie hatten ja eigentlich bis Jahresende eine komplette Kommunikationsstrategie zum Thema Wärmewende entwerfen wollen.
Als wir das angekündigt haben, waren wir von klareren gesetzlichen Rahmenbedingungen bis zur Sommerpause ausgegangen. Auf den bereits vorliegenden Rahmenparametern haben wir jetzt eine Übergangskommunikation aufgebaut. Sobald ein klarer gesetzlicher Rahmen gegeben ist, werden wir die umfassende Kommunikationsstrategie erarbeiten und unsere Kundinnen und Kunden im Detail informieren.

Wie kommunizieren Sie in der Übergangsphase?
Wir fahren mit einem Infomobil auf die Märkte, wo wir größere Kundenansammlungen vorfinden. Dort stellen wir uns den Fragen der Kunden und stellen unsere Wärme-Transformationsplanung vor. Außerdem bereiten wir gemeinsam mit der Kommune Bürgerdialoge – also Informations- und Dialogangebote vor Ort – vor.

Welche Erfahrungen machen Sie, wenn Sie mit dem Bürgermobil direkt bei den Kunden sind?
Wir erleben, dass die Kundinnen und Kunden häufig verunsichert und überfordert sind, weil die rechtliche Ausgangslage und die Rahmenbedingungen noch nicht so klar sind. Einige haben sogar mit Ängsten zu kämpfen. Dabei machen wir uns immer bewusst, dass die Wärmewende hochgradig individuell ist.

Bei allen Lösungen und Preisbetrachtungen muss jeder Haushalt für sich bewertet werden, die Anforderungen sind vielschichtig. Deshalb können wir unsere Kundinnen und Kunden nicht in Gruppen zusammenfassen, die wir einheitlich ansprechen können, sondern gehen in der (Kunden-)Kommunikation auf die komplexen Anforderungen ein.

Die gesamte Wärmewende wird nur funktionieren,
wenn nicht jeder sich selbst optimiert.

Wie ist Ihre Kommunikationsstrategie konkret, wenn Sie mit den Kunden auf den Märkten sprechen?
Wir hören uns zuerst die Sorgen und Anliegen an, um zu verstehen, was unsere Kundinnen und Kunden bewegt. Dann geben wir einerseits Einblick in den bestehenden rechtlichen Rahmen. Damit wollen wir Fehlinterpretationen des Gebäudeenergiegesetzes oder zur kommunalen Wärmeplanung entgegenwirken und allgemeinverständliche Erklärungen geben.

In einem weiteren Schritt erklären wir am Beispiel der Stadt Garbsen, wie eine Wärmeplanung aussieht, und versuchen, unsere Rolle in der Wärmewende klar herauszustellen. In dem Zusammenhang geben wir Einblick in unsere Planung für die künftige Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien. Wir werden in Garbsen eine vielschichtige Struktur aus Einzellösungen – vorwiegend Wärmepumpen, Insel- oder Quartierslösungen auf Basis von oberflächennaher sowie mitteltiefer Geothermie sowie der Nutzung industrieller Abwärme als auch einem perspektivisch dekarbonisiertem Fernwärmenetz sehen. I

m letzten Schritt versuchen wir aufzuzeigen, dass die gesamte Wärmewende nur funktionieren wird, wenn nicht jeder sich individuell optimiert, sondern auf Basis des Solidaritätsprinzips auch gemeinsam genutzte Infrastrukturen aufgebaut werden. Dieser Aspekt der Gesamtverantwortung ist aber naturgemäß ein sehr schwieriges Thema, viele Kunden sind hierfür nicht wirklich offen. Wir merken generell, dass die Gespräche dauern und es nicht möglich ist, dass mit ein paar Schreiben abzugleichen. Deshalb hilft uns diese Übergangskommunikation, uns darauf einzustellen, wie wir künftig überhaupt kommunizieren. (Die Fragen stellte Hans-Peter Hoeren)

Mehr über erfolgreiche Kommunikationsstrategien erfahren Sie auf den ZfK Media Days

Um gute und erfolgreiche Kommunikationsstrategien kommunaler Unternehmen wird es auch bei den erstmals angebotenen ZfK Media Days am 13./14. November in Darmstadt gehen. Mehr zum Programm und zur Anmeldung gibt es hier.

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