Gas

Brisante Premiere: Russland Spaniens größter Gaslieferant

Im Juni stammten 26 Prozent des spanischen Gasmixes aus dem von Wladimir Putin regierten Land. Der Regierung in Madrid ist dies sichtlich unangenehm.
14.07.2023

Russlands Präsident Wladimir Putin

Als russisches Gas noch vorwiegend über Rohre nach Europa floss, spielte das von Wladimir Putin regierte Land auf dem spanischen Gasmarkt im Vergleich zum traditionell wichtigsten Gaslieferanten Algerien eine untergeordnete Rolle. Das hat sich seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine deutlich geändert.

Im Juni war Russland größter Gaslieferant Spaniens. Nach Daten des Fernleitungsnetzbetreibers Enagas machten russische Mengen 27 Prozent des spanischen Gasmixes aus.

Russland im Wettbewerb mit Algerien und USA

Dahinter rangierte Algerien mit einem Anteil von 21 Prozent. Das nordafrikanische Land versorgt die Iberer über Pipelines und führte im vergangenen Monat an der derzeit einzig aktiven Leitung Wartungsarbeiten durch. Die Plätze drei bis fünf belegten die USA (19 Prozent), Nigeria und Peru (jeweils zehn Prozent).

Enagas veröffentlichte zudem Daten zum gesamten ersten Halbjahr 2023. Hier belegte Russland mit einem Anteil von 20 Prozent knapp hinter den USA Rang drei. Erster war hier Algerien mit 24 Prozent.

Russische Gasimporte fast verdoppelt

Bemerkenswert ist auch ein Blick auf die absoluten Zahlen: Demnach wurden zwischen Januar und Juni insgesamt 41 Terawattstunden (TWh) russisches Gas ins spanische Netz eingespeist. Das sind knapp zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2021 entspricht dies sogar fast einer Verdopplung.

Spanien bezieht sein Gas abgesehen von algerischen Pipelinelieferungen vor allem in verflüssigter Form. Es unterhält zu diesem Zweck sechs LNG-Terminals.

Ministerbrief fruchtet nicht

Der linksgerichteten, pro-europäischen Regierung in Spanien sind die Enagas-Zahlen sichtlich unangenehm. Schon im vergangenen Jahr forderte Ökologieministerin Teresa Ribera spanische Unternehmen dazu auf, den Kauf von russischem Gas zu verringern. (Die ZfK berichtete.) Ende März verschickte sie dann sogar Briefe mit derselben Bitte. Gefruchtet hat das offenbar kaum.

So musste sich ihr sozialistischer Präsident Pedro Sánchez jüngst in einem Fernsehduell vom konservativen Herausforderer Alberto Feijóo vorwerfen lassen, der Regierungschef in Europa zu sein, der am meisten Gas von Wladimir Putin kaufe.

Russisches Gas nicht sanktioniert

Tatsächlich waren Spanien und Belgien im ersten Halbjahr 2023 die beiden Länder, die die meisten russischen LNG-Ladungen bezogen. Konkret waren es jeweils 35 Schiffslieferungen, wie Gasexperte Joachim Endress jüngst in seiner ZfK-Kolumne ausführte. Brisant sind die Zahlen nicht zuletzt, weil Spanien derzeit nicht nur im Wahlkampf steckt, sondern auch noch die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Im Gegensatz zu Kohle und Öl haben die europäischen Mitgliedsstaaten russische Gasbezüge bislang nicht sanktioniert. Unklar ist, wie gut Spanien ein russisches Gasembargo verkraften würde. Ben McWilliams, Forscher in der renommierten Brüsseler Denkfabrik Bruegel, bezeichnete dies im Gespräch mit dem spanischen Fernsehsender TVE zumindest als "Herausforderung".

Größter Gasimporteur gegen Verzicht

Einen freiwilligen Verzicht auf russisches Erdgas schloss Spaniens größter Gasimporteur Naturgy übrigens im Februar aus. Das Unternehmen bezieht einen Teil seiner Gasmengen über einen Langfristvertrag von der russischen Halbinsel Jamal. Der Kontrakt läuft bis zum Jahr 2042.

Konzernchef Francisco Reynés sagte damals, er sehe "keinen Grund", diesen Vertrag vorzeitig zu beenden, wie der Branchendienst Montel und die Zeitung La Vanguardia übereinstimmend berichteten. Naturgy erfülle seine vertraglichen Verpflichtungen bis zum Ende. (aba)

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