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"Ein LinkedIn-Post reicht nicht aus, um nachhaltig Stellung zu beziehen"

In Deutschland erstarkt der Rechtspopulismus. Warum Unternehmen im Zugzwang sind, erklärt Charlotte Holzum. Und wie man kommunizieren kann, wenn die Belegschaft vom Diversity-Thema genervt ist.
14.02.2024

Viele kommunale Unternehmen und ihre Lenker haben sich öffentlich geäußert – hier eine zufällige Auswahl an LinkedIn-Posts.

Sie stehen ein für ein offenes und buntes Deutschland. Nach Medienberichten über rechtsextreme Zusammenkünfte äußern sich immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer öffentlich. Auch, wer sich noch nicht geäußert hat, stellt sich die Frage: Wie kommunizieren wir? Die Interviewreihe "Kommunikation und Populismus" sucht die Antwort für die Unternehmenskommunikation auf das Erstarken der extremen Rechten in Deutschland. In Teil 2 erklärt Kommunikationsexpertin Charlotte Holzum, welche Strategien sie für sinnvoll erachtet.

Frau Holzum, wer macht es richtig, welche Unternehmenskommunikation ist Ihnen positiv aufgefallen?

Für mich ganz vorne mit dabei ist die Initiative "Offen für Vielfalt" aus Nordhessen, die sich bereits nach den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz im Herbst 2018 gegründet hat, um vor den anstehenden Landtagswahlen in Hessen ein Zeichen zu setzen. Mit der Ermordung Walter Lübckes 2019 hat sich die Initiative noch stärker politisiert und zeigt kontinuierlich klare Flagge gegen rechts. Sie wird von über 20 Unternehmen, Organisationen und Vereinen aus der Region getragen.

Mit klaren Statements der CEOs, einer immer wieder aktiven Teilnahme an Demonstrationen und durch ganz konkrete Mitmachaktionen im Alltag. Offen für Vielfalt hat in den letzten Jahren eine unglaubliche Dynamik entwickelt und ist aus dem Stadtbild Kassels und anderer Städte Nordhessens nicht mehr wegzudenken. Glaubhaftes Engagement für Demokratie und gegen rechts zeichnet sich für mich vor allem durch kontinuierliches Handeln aus, nicht nur dann, wenn das Thema gerade präsent in den Medien ist.

  • Charlotte Holzum ist Geschäftsführende Gesellschafterin bei der Kommunikationsberatung "navos – Public Dialogue Consultants". Die Agentur ist spezialisiert auf die Kommunikation rund um industrielle Transformation und Energiewende. Holzum ist Berlinerin, hat Politik studiert und als Journalistin gearbeitet.

Viele Unternehmen erklären aktuell, dass sie "bunt" oder "vielfältig" sind. Was denken Sie, wenn Sie das lesen?

Es ist wichtig und richtig, dass Unternehmen öffentlich Stellung beziehen. Sie sind Teil unserer Gesellschaft und haben speziell als Arbeitgeber maßgeblich Einfluss. Doch dafür müssen sie ihre eigene Stimme finden. Gerade weil bunt Vielfalt bedeutet, brauchen wir die gesamte Farbpallette in der Kommunikation. Auch die dezenteren Töne haben eine ganz eigene Kraft, wenn die Botschaft unmissverständlich klar ist: Die Arbeitswelt spiegelt die Vielfalt der Gesellschaft wider und profitiert von ihr. Keine Toleranz für Intoleranz.

"Ein LinkedIn-Post oder Statement reichen nicht aus."

Ein LinkedIn-Post oder Statement reichen nicht aus, um nachhaltig Stellung zu beziehen. Wer sagt, dass er vielfältig ist, muss das auch im Alltag leben. Indem man intern die Vielfalt wertschätzt und konkrete Angebote für Mitarbeitende schafft. Und durch kontinuierliches, authentisches externes Engagement.

Sollten Unternehmen sich aktuell überhaupt äußern?

Schweigen ist keine Option. Aus gesellschaftlicher Verantwortung, aber eben auch aus wirtschaftlicher Perspektive: Die AfD ist ein Standortrisiko. Forderungen wie der Austritt aus der EU sind Gift für die Wirtschaft. Oder schauen wir auf den Fachkräftemangel. Unternehmen in Regionen, in denen die AfD stark ist, haben teilweise jetzt schon Probleme, Stellen zu besetzen. Warum sollten Fachkräfte aus dem Ausland in ein Land ziehen, in dem sie Rassismus und Ausgrenzung erwarten müssen?

"Internationale Investoren zögern schon heute, in Deutschland zu investieren."

Tatsache ist, dass internationale Investoren aus diesem Grund bereits heute zögern, in deutsche Projekte zu investieren. Das anstehende Wahljahr macht die Situation nicht einfacher. Deshalb heißt es jetzt, Haltung zeigen. Auch als Zeichen über Deutschlands Grenzen hinaus.

Wie konkret sollte eine Unternehmenskommunikation sein? Macht es einen Unterschied, ob man sich "für die Demokratie" einsetzt oder "gegen Rechtsextremismus" stellt?

Wer für Vielfalt und die offene, demokratische Gesellschaft eintritt, ist auch gegen Rechtsextremismus. Rechtsextreme Haltungen – und um auch das deutlich zu sagen: nicht konservative Ansichten – stehen im Widerspruch zu unserem Grundgesetz und sind eine Gefahr für die Demokratie. Das muss man klar benennen und differenzieren.

Gleichzeitig sollten wir nicht nur vor den Gefahren des Rechtsextremismus warnen, sondern ihm eine positive Erzählung entgegensetzen. Wir müssen weiter Brücken bauen für alle Verunsicherten. Eine vielfältige und demokratische Gesellschaft – und Wirtschaft – ist eine bessere Gesellschaft für alle.

Für ein Social-Media-Team mag es einfach sein, ein Posting für mehr Diversität zu machen, wenn es sich bei der nächsten Infoveranstaltung nicht von sogenannten Wutbürgern beschimpfen lassen muss. Wie kann ich mein Unternehmen in so einem Umfeld gut aufstellen?

Unsere Teams sind deutschlandweit unterwegs und wir merken, wie der Wind generell rauer wird. Dazu gehören Erfahrungen mit Reichsbürgern genauso wie auf offener Bühne übergebene Drohbriefe. Dennoch dürfen nicht vergessen: Ein Großteil der Menschen auf einem Infomarkt hat konkrete Fragen oder Sorgen und sucht den Austausch und den Dialog. Für sie sind wir vor Ort. Und mit den anderen müssen wir umgehen.

Wichtig ist, nicht unvorbereitet in solche Situationen zu gehen. Es braucht klare Absprachen in den Teams und vor Ort ein waches Auge füreinander. Zudem helfen Workshops und Trainings, nicht sprachlos zu sein und rechten Narrativen zu widersprechen. Auch ist es wichtig, Räume zu schaffen, in denen Kolleg*innen solche Erfahrungen verarbeiten und darüber sprechen können.

Was mache ich, wenn meine Belegschaft sich vom Diversity-Thema genervt zeigt?

Auch hier gilt: authentisch kommunizieren. Es hilft bereits, die klassischen Buzzwords zu vermeiden und echte Anknüpfungspunkte im Alltag zu schaffen. Viele haben sich noch nie mit ihrer eigenen Diversität im Team oder auch im privaten Umfeld auseinandergesetzt. Eigentlich wunderbar, dass das als selbstverständlich angesehen wird. Doch hier müssen wir hin leuchten.

Vielleicht haben die Großeltern Fluchterfahrungen gemacht? Oder es gibt in Familie und Freund*innenkreis Menschen, die Diskriminierungserfahrungen machen mussten? Das Alter ist übrigens auch eine Vielfaltsdimension, und Menschen, die von Altersdiskriminierung (am Arbeitsplatz) betroffen sind, bringen das häufig nicht mit Diversity in Verbindung.

Die Fragen stellte Pauline Faust.