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Stadtwerke-Fusion im hohen Norden: Warum beide Partner doppelt profitieren

Der Fusion der Stadtwerke Tornesch und der Stadtwerke Pinneberg ging ein mehrjähriger Strategieprozess voraus. Ein Gastbeitrag über die Herausforderungen und die Lernkurven.
08.01.2024

Die Gastautoren: Jürgen Haneberg (links) ist Geschäftsführer der Stellwerk Energy GmbH in Köln und Axel Horstmann, Staatsminister a. D., ist Partner der Stellwerk Energy.

Der Zusammenschluss der Stadtwerke Pinneberg und Tornesch im Süden Schleswig-Holsteins hat die Branche aufhorchen lassen. Die Stadtwerke Tornesch als kleines, bisher vom Eon-Konzern betriebsgeführtes Stadtwerk haben sich nach längerer Suche nach einem starken Partner für einen kommunalen Player entschieden: die Stadtwerke Pinneberg.

In der neuen Struktur und Aufstellung sieht man unter anderem bessere Voraussetzungen, um die Wärmewende vor Ort künftig gemeinsam und gezielter vorantreiben zu können. Der Fusion vorausgegangen war eine mehrjährige Beratungs- und Sondierungsphase unter Führung des auf Kooperationen spezialisierten Kölner Beratungsunternehmens Stellwerk Energy GmbH. Warum ist gerade dieser Zusammenschluss bemerkenswert? Was waren die größten Herausforderungen auf dem Weg dahin? Antworten darauf gibt der Gastbeitrag von Jürgen Haneberg (Geschäftsführer) und Axel Horstmann (Partner) bei Stellwerk Energy.

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Mit der Stadtwerke Südholstein GmbH ist mit Beginn des neuen Jahres ein weiteres kommunales Gemeinschaftsstadtwerk in Schleswig-Holstein entstanden.

Pinneberg und Tornesch folgen damit dem Schritt noch immer weniger Kommunen in ein Gemeinschaftsunternehmen und wählen dabei das seltenere Modell einer echten gesellschaftsrechtlichen Fusion und erreichen zugleich die erstmalige Kommunalisierung eines historisch stets konzerngeführten Stadtwerks.

Wirtschaftliche Nachteile durch fast vollständige Betriebsführung

Die Stadt Tornesch hatte 2021 im Konsens aller Ratsfraktionen das Organisationsmodell ihrer Stadtwerke ernstlich in Frage gestellt, die 1995 unter Beteiligung der Hamburger Gaswerke errichtet worden waren, die später im Eon-Konzernverbund aufgingen.

In einem strukturierten Strategieprozess wurden wirtschaftliche Nachteile der nahezu vollständigen Betriebsführung durch Eon-Konzerngesellschaften erkannt, insbesondere die zweifelhafte Eignung der standardisierten Vertragsleistungen für die Bewältigung der Energiewende und die eingeschränkte Beteiligung an wirtschaftlichen Synergien.

In beiderlei Hinsicht wurde von Tornesch eine Partnerschaft mit einer Nachbarkommune mit einem rein kommunalen und funktionell voll ausgebauten Stadtwerk als interessante Alternative identifiziert. Tatsächlich fanden sich gleich mehrere Optionen für die Bildung eines Gemeinschaftsstadtwerks, von dem sich Tornesch mehr Innovationskraft und eine angemessene Beteiligung an den entstehenden Synergien versprechen konnte.

Gutachterverfahren als Basis für Rekommunalisierung

Pinneberg wurde in mehreren Sondierungen als bevorzugte Partnerin gefunden. Nach Abschluss eines Memorandum of Understanding im November 2022 wurden in einem einjährigen exklusiven Verhandlungsprozess die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen des Zusammenschlusses beider Stadtwerke ab 2024 erarbeitet.

Tornesch hat in dieser Zeit zugleich die Trennung von der bisherigen Mitgesellschafterin verhandelt und erreicht, wobei ein gesellschaftsvertraglich vorgesehenes Gutachterverfahren bei der Kaufpreisfindung hilfreich war.

Es entsteht mit den Stadtwerken Südholstein ein ausgebildetes Querverbundunternehmen, das regional etwa 70.000 Kunden versorgt und etwa 135 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Belegschaft rekrutiert sich aus den 130 Beschäftigten der bisherigen Stadtwerke Pinneberg und 5 Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern der Stadtwerke Tornesch.
 

Tornesch partizipiert gleichberechtigt
an den entstehenden Synergien.

Dieser Umstand sichert die Realisierung der möglichen Synergien von Anfang an, denn die bisherigen Betriebsführungsleistungen auf der Seite der bisherigen Stadtwerke Tornesch können umgehend durch weitaus günstigere Aufwendungen des künftigen Gemeinschaftsstadtwerks ersetzt werden.

Für Tornesch ist entscheidend, dass die Wertschöpfung nun in einem eigenen Beteiligungsunternehmen erfolgt, „im eigenen Haus“, denn dadurch partizipiert man gleichberechtigt an den entstehenden Synergien, auch wenn man aufgrund der Größenverhältnisse am Gemeinschaftsunternehmen nur mit einem Minderheitsanteil von knapp 18 Prozent beteiligt sein wird. Eine vorsichtige Schätzung deutet auf eine Verdopplung des bisher erwarteten wirtschaftlichen Ergebnisses hin.

Wie Tornesch und Pinneberg konkret profitieren

Die kleine Stadt Tornesch mit gut 14.000 Einwohnerinnen und Einwohnern verabschiedet sich mit dem Gemeinschaftsunternehmen mit Pinneberg aus der fast 30 Jahre währenden Abhängigkeit von einer Partnerin, die als konzernverbundene Gesellschaft ihr wirtschaftliches Interesse an der Kooperation vermutlich vor allem in den damit verbundenen Betriebsführungsverhältnissen gesehen hat.

Zugleich findet sie mit dem Gemeinschaftsunternehmen eine Alternative zum etablierten Betriebsführungsmodell, die weitaus einfacher realisierbar war als etwa der Aufbau eines funktionell ausgebildeten Stadtwerks in alleiniger Trägerschaft und die demgegenüber effizientere Geschäftsprozesse ermöglicht – zwei Vorteile zugleich also.

Einen doppelten Vorteil hat aber auch Pinneberg: Es profitiert in proportionaler Weise von den betrieblichen Synergien und kann als Mehrheitsgesellschafterin seine Unternehmensplanung künftig auf einer Kundenbasis aufbauen, die schlagartig um 25 Prozent wächst. Ein internes Unternehmenswachstum wäre in dieser Größenordnung absehbar nicht denkbar gewesen. Größe an sich ist bekanntlich kein Vorteil, hilft aber, wenn es Entwicklungs- oder andere fixe Kosten oder Risiken abzudecken gilt.

Maximale Transparenz als Schlüssel zum Erfolg

Das Zustandekommen der Partnerschaft von Pinneberg und Tornesch lehrt auch, dass der ökonomische Vorteil allein keine Erfolgsgarantie bietet. Es galt, Widerstände zu überwinden, die im Verlust an kommunalpolitischer Autonomie und im Zweifel an der richtigen Aufteilung wirtschaftlicher Vorteile begründet waren.

In gemeinsamen politischen Projektgremien wurde ein Höchstmaß an Transparenz über die wirtschaftlichen Grundlagen und Effekte des Zusammenschlusses der Stadtwerke hergestellt. Mit den politischen Entscheidern wurden die Gründungsdokumente der neuen gemeinsamen Gesellschaft Punkt für Punkt durchgegangen.

Wesentliche Minderheitenrechte für den kleineren Partner

Am Ende war das Vertrauen in eine faire kommunale Partnerschaft konstitutiv. Pinneberg hat der kleineren Partnerin wesentliche Minderheitenrechte zuerkannt, die die Sorge vor Majorisierung ausräumen konnten, so etwa ein Zustimmungserfordernis bei der Wirtschaftsplanung und bei Personalentscheidungen auf Geschäftsführungsebene.

Mit dem Zusammenschluss der Stadtwerke Pinneberg und Tornesch scheint ein weiteres Motiv auf, das künftigen Stadtwerkekooperationen Vortrieb geben könnte. Es wäre ein Beweis für in der Kommunalwirtschaft geteilte Unternehmenswerte, wenn die Ablösung von Konzernbindung durch kommunale Partnerschaft mehr praktische Beispiele fände.

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Was der Zusammenschluss konkret für die Wettbewerbsfähigkeit des neuen Stadtwerks bedeutet und was konkret in Sachen Wärmewende vor Ort jetzt diskutiert wird, mit O-Tönen von Geschäftsführer Thomas Behler und dem bisherigen Interims-Geschäftsführer in Tornesch, Falk-Wilhelm Schulz, lesen Sie in der Januarausgabe der ZfK, die am heutigen Montag (8. Januar) erschienen ist. Zum Abo geht es hier.