Gasnetz-Rückbau: Was das Habeck-Ministerium wirklich plant
Die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums zum Rückbau des Gasnetzes werden konkreter. Und prompt ist das mediale Interesse wieder groß. Aber was plant das grün geführte Haus wirklich?
Vorweg: Das 23-seitige sogenannte Grünpapier ist als Impuls zum Um- und Rückbau des Gasnetzes zu verstehen und nicht als konkreter Gesetzentwurf. Nicht umsonst endet es mit 33 Fragen. Frage eins zum Beispiel: "Wie lassen sich der Aufbau zukunftsträchtiger Netze für Wasserstoff [beziehungsweise] Wärme mit der Umwidmung [beziehungsweise gegebenenfalls] Stilllegung von Erdgasverteilernetzen optimal verknüpfen, so dass die Transformationskosten für alle Beteiligten minimiert werden?"
Ministerium: Länge wird "stark zurückgehen"
Für das Ministerium steht jedenfalls fest: Am Ende der Transformation werden Gasnetze "aller Voraussicht nach in deutlich geringerem Umfang benötigt werden als derzeit". Die Länge der Gasverteilnetze von derzeit mehr als 500.000 Kilometern werde "stark zurückgehen".
Inwieweit jedoch auch Gasverteilernetze oder einzelne Leitungen auf Wasserstoff umgestellt werden und inwieweit Gasverteilnetze stillgelegt würden, "ist dabei in hohem Maße abhängig von den derzeit von den Kommunen auszuarbeitenden Wärmeplänen", heißt es weiter.
Kündigungsrecht des Netzbetreibers
Doch was passiert mit Gasnetzkunden, die von Stilllegungsplänen betroffen wären? Konkret schlägt das Ministerium vor, es den Verteilnetzbetreibern zu ermöglichen, Kunden "aus Transformationsgründen" einen Anschluss zu verweigern und sogar zu kündigen. Diese Option soll als "Kündigungsrecht" des Netzbetreibers verankert werden, sofern das betroffene Gasversorgungsnetz nicht mehr benötigt wird oder wirtschaftlich betrieben werden kann.
Auf die Frage, ob Betreiber nicht mehr benutzte Netze zurückbauen müssen, äußert sich das Ministerium im Grünpapier defensiv. Einschlägige rechtliche Regelungen müssten angepasst werden, um insbesondere einen sofortigen flächendeckenden Rückbau zu vermeiden, heißt es dort. "Dabei sind Nachnutzungen im Rahmen kommunaler Wärmepläne [beziehungsweise] von Wasserstoffnetzentwicklungsplänen oder anderer Umwidmungen zu berücksichtigen."
"Wer Deutschland deindustrialisieren will, kann das machen"
Und inwiefern sollten Gasnetze weiterbetrieben werden, wenn es keine Bewerber auf Neukonzession gebe? Hier schlägt das Ministerium eine Inpflichtnahme der Bestandskonzessionäre durch Anordnungen der zuständigen Behörde vor. Basis soll eine vorher geschaffene gesetzliche Ermächtigungsgrundlage sein.
Harte Kritik am Grünpapier übte der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches, kurz DGVW. "Wer Deutschland deindustrialisieren will, kann das machen, was in dem Papier steht“, sagte Vorstandschef Gerald Linke im ZfK-Interview. "Wir brauchen die Gasnetzinfrastruktur für Wasserstoff, ansonsten gehen in Deutschland die Lichter aus."
Stadtwerkeverband VKU zurückhaltend
Der Verbandschef verweist auf eine Studie der Initiative H2 vor Ort. Demnach rechnen 75 Prozent der Industriekunden auf den Einsatz von Wasserstoff. Bei den Kommunen schließen nur fünf Prozent eine Wasserstoffnutzung aus. Der Löwenanteil von 95 Prozent setzt demzufolge fest auf den neuen Energieträger oder hält einen Einsatz für möglich.
Derzeit werden bundesweit 1,8 Millionen Industrieunternehmen sowie rund die Hälfte der Haushalte über Gasverteilnetze versorgt.
Einordnung Kündigungsrecht
Zurückhaltender formulierte der Stadtwerkeverband VKU. "Im Zusammenhang mit der Wärmewende werden wir künftig nicht alle Gasnetze eins zu eins als Wasserstoffnetze nutzen", teilte ein Sprecher mit. "Aber grüner Wasserstoff kann eine Option für die Wärmeversorgung sein. Ob das lokal sinnvoll ist, muss in der kommunalen Wärmeplanung entschieden werden."
Mit Blick auf Kündigungen von Gasnetzkunden schreibt der Verband zudem, dass Herstellung und Betrieb von Gasnetzanschlüssen "schon immer unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für den Netzbetreiber" gestanden habe. (aba)
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Hinweis: Das Ideenpapier des Bundeswirtschaftsministeriums in Gänze lesen Sie hier.