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"Der Businesscase im ESG-Management wird immer relevanter"

Die aktuelle CSRD-Pause ist eine Chance. Vor allem, um Nachhaltigkeitsthemen umzusetzen, die einen wirklichen Mehrwert bringen, sagt Maurice Grassee von Sucona im Interview.
23.05.2025

Maurice Grassee ist Senior Business Development Manager Sustainability Services, Sucona (BTC AG).

Die EU plant deutliche Lockerungen bei ihrer Nachhaltigkeitsdirektive CSRD (Stichwort Omnibus-Verordnung). Viele bisher ab 2026 berichtspflichtige kommunale Unternehmen dürften damit nicht mehr unter die CSRD-Vorgaben fallen. Viele haben bereits begonnen, ein Nachhaltigkeitsmanagement und ein Reportingsystem aufzubauen. Gleichzeitig erwarten Banken sowie Lieferanten und Stakeholder künftig die Bereitstellung gewisser Nachhaltigkeitsdaten, das kann künftig auch Einfluss auf die Höhe von Kreditzinsen haben. Einerseits dürfte die akute Berichtspflicht vielerorts wegfallen oder sich um einige Jahre nach hinten verschieben, gleichzeitig soll erarbeitete Expertise nicht verloren gehen, und die Unternehmen wollen künftig auch die Erwartungshaltung der Kreditwirtschaft erfüllen können.

"Parallelisierung von digitalem Wandel
und Dekarbonisierung wird immer wichtiger."

Was also ist zu tun, welche Handlungsoptionen haben die kommunalen Unternehmen jetzt? Das ist eines der Fokusthemen bei der diesjährigen ZfK-Nachhaltigkeitskonferenz am 17. Juni in Berlin. Die vielen Facetten dieses Themas wollen wir unter anderem auch in kleineren Gruppen in sechs Workshops dort vertiefen. Unter dem Titel "Geld schläft noch – Business Cases mit ESG-Instrumenten und KI erfolgreich umsetzen" werden Maurice Grassee und Heinrich Tschochohei von Sucona (BTC AG) in ihrem Workshop einige Möglichkeiten aufzeigen. Unter anderem wird es dabei um KI-Anwendungsfälle für Optimierungen des ESG-Managements gehen und es wird Einblicke in das CSRD-Projekt der Stadtwerke Münster geben. "Die Parallelisierung von digitalem Wandel und Dekarbonisierung wird immer wichtiger", sagt Maurice Grassee im Kurz-Interview.

Herr Grassee, wie ist die Stimmung bei Ihren Stadtwerkepartnern mit Blick auf die Omnibus-Verordnung,? Wie groß ist die Planungsunsicherheit und der Orientierungsbedarf?
Einige Stadtwerke haben sich als durchaus progressiv erwiesen. Der Großteil unserer energiewirtschaftlichen Kunden hat insbesondere durch die initiale Auseinandersetzung mit der EU-Nachhaltigkeitsdirektive CSRD die Relevanz und die Vorteile des Themas erkannt. Unter diesen Leuchttürmen beobachten wir, dass man die "CSRD-Pause" als Chance verstehen kann, um nun die Nachhaltigkeitsthemen umzusetzen, die wirklichen Mehrwert mit sich bringen und keine bürokratischen Dokumentationspflichten. 

Da es hier allerdings zahlreiche Möglichkeiten gibt und viele neue Informationen aufkamen, haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten insbesondere Orientierungshilfe gegeben und gemeinsam individuelle ESG-Roadmaps erarbeitet.

"Das Hauptproblem bei der Berichterstattung lag bisher sehr häufig eben in der regelmäßigen Aggregation und Harmonisierung verlässlicher Daten."

Was können kommunale Unternehmen jetzt konkret machen? Was sind beispielsweise sinnvolle No-Regret-Maßnahmen?
Durch den Wegfall oder den Aufschub der jeweiligen Berichtspflicht, ist die Hauptmotivation aktuell eindeutig: Es gilt die ESG-Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen, die entweder dazu führen neue Zielgruppen zu erreichen, höhere Margen zu erzielen oder die internen Prozesskosten zu reduzieren. Der Business Case im ESG-Management wird also immer relevanter. 
Und auch da merken wir immer wieder, dass es vor allem Daten und Fakten braucht, um genau diese Steuerung nachhalten zu können.

Daher begleiten wir unsere Kunden aktuell in "No-Regret-Maßnahmen, wie Klimarisikoanalysen als Basis einer kostensensiblen Netzplanung, der mittelfristigen Dekarbonisierung durch Transitionspläne mit einer fundierten Kostenplanung oder auch bei der Auswahl und Erstellung von ESG-Ratings als Grundlage für erfolgreiche Finanzierungsgespräche. 

Wie weit ist die Branche jetzt im Bereich der Entwicklung von Reportinglösungen, wie stark werden diese bereits genutzt? Und wie kann Automatisierung hier helfen, um künftig Effizienzen zu heben?
Man muss festhalten, dass die Hauptprobleme bei der  Berichterstellung bisher sehr häufig eben in der regelmäßigen Aggregation und Harmonisierung von verlässlichen Daten lag. Dies hat sich durch die Omnibus-Verordnung natürlich nicht geändert. Vielmehr beobachten wir nun, dass Unternehmen nun Mittel für den Aufbau von strukturierten und automatisierten Datenmanagementlösungen, bestenfalls unter Einsatz von KI, einsetzen möchten, die vorher für die Aufwände zur Erfüllung der Prozesskonformität genutzt werden sollten.

Dies ist eine sinnvolle Entwicklung, da es eine saubere Sicht auf relevante ESG-Daten ermöglicht und damit aktiv Maßnahmen gesteuert werden können. Wir sehen zudem, dass auch Banken weiterhin diese Daten abfragen. Diese Anforderungen zu erfüllen, ist ein zentraler Baustein, um die notwendigen Investitionen für die grüne Transformationen bestmöglich zu lenken. 
Daher ist diese Parallelisierung von digitalem Wandel und Dekarbonisierung, wir nennen das "Twin Transformation" als aktuelle Schwerpunktsetzung im ESG-Management ein wichtiger und vorwärtsgerichteter Schritt. 

(Die Fragen stellte Hans-Peter Hoeren)

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