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"Stadtwerke sollten Nachhaltigkeit als positives Lebensgefühl kommunizieren"

Die Öffentlichkeitsarbeit zu Nachhaltigkeitsprojekten ist oft noch zu technisch. Wie man das Thema emotional erfahrbar macht, verrät Jens Leonhäuser von der Agentur Steilpass.
16.01.2023

"CO2-Reduktion, Autarkiegrad und langfristige Wirtschaftlichkeit können drei sehr starke Argumente in der Kommunikation der Stadtwerke sein", sagt Jens Leonhäuser, Geschäftsführer der Stuttgarter Strategieberatung Steilpass.

Die Stuttgarter Agentur Steilpass ist spezialisiert auf Strategieberatung und emotionale Markenkommunikation. Zu ihren Kunden gehören zahlreiche kommunale und privatwirtschaftliche Unternehmen sowie Vereine & Verbände. Die Agentur ist zudem gemeinsam mit Fair Plaid Kooperationspartner des VKU Verlags beim Thema Kommunales Crowdfunding. In diesem Jahr unterstützt das Beratungsunternehmen erstmals den ZfK-NachhaltigkeitsAWARD als Sponsor, weitere Sponsoren sind die DKB und die Entega.

Mit dieser Auszeichnung zeichnet unsere Zeitung jährlich Vorzeigeprojekte kommunaler Unternehmen aus dem Bereich Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz aus. Bis 22. Januar können noch Bewerbungen eingereicht werden, alle wichtigen Infos dazu gibt es hier. Die Preise werden am 11. Mai im Rahmen einer eigenen Nachhaltigkeitskonferenz verliehen. Im ZfK-Interview spricht Jens Leonhäuser, Geschäftsführer von Steilpass, über die Stärken und Trümpfe der Kommunalen beim Thema Nachhaltigkeit und zeigt auf, wie man das dennoch komplexe Thema effizienter und zielgerichteter kommunizieren kann.

Herr Leonhäuser, Sie engagieren sich erstmals als Sponsor mit Ihrer Strategieberatung Steilpass beim ZfK-NachhaltigkeitsAWARD. Was genau ist Ihre Motivation?
Jens Leonhäuser: Kommunale Unternehmen sind in ganz Deutschland wesentliche Player für die Energiewende. Ohne sie wird es nicht gehen. Über den Erfolg der Projekte entscheidet aber nicht nur die technologische Lösung, sondern auch die Kommunikation.

Das Thema Energiewende ist sehr komplex. Den ZfK-NachhaltigkeitsAWARD sehen wir als tolle Möglichkeit für die Unternehmen, das nach außen zu tragen, was sie bereits an positiven Dingen leisten. Dass es dafür eine größere Bühne und eine breitere Aufmerksamkeit gibt, halten wir für unterstützenswert.

Welchen Bezug hat das Beratungsunternehmen Steilpass zum Thema Nachhaltigkeit?
Aus Überzeugung haben wir bei Steilpass sehr früh angefangen, uns stringent nachhaltig auszurichten. Wir waren unter den ersten mit rein elektrischen Dienstfahrzeugen, ökologisch ausgerichteten Investitionsstrategien und natürlich Ökostrom. Emissionen, die wir nicht vermeiden können, werden seit Jahren kompensiert – ab 2023 mit einem eigenen langfristig angelegten Aufforstungsprogramm.

Warum? Weil wir überzeugt davon sind, dass wir es den kommenden Generationen schuldig sind. Als Vater von zwei Kindern liegt mir dieses Thema auch persönlich sehr am Herzen. Wir sehen eine hohe Sinnerfüllung darin, unser Know-How und unsere Kommunikationsstärke hierfür einzusetzen und hoffen, damit einen kleinen Beitrag leisten zu können.

Ohne die kommunalen Unternehmen wird die Energiewende inhaltlich und technisch nicht umsetzbar sein. Das ist eine Riesenchance.

Worauf kommt es an bei der Vermittlung von Projekten mit teils komplexen technischen Hintergründen?
Die sehr wissenschaftliche Diskussion rund um den Klimawandel ist abstrakt und für viele Menschen wenig eingänglich. Wir sehen unsere Aufgabe darin, das Thema emotional erfahrbar zu machen und plausibel zu kommunizieren. Was kann ich als Bürger leisten und wie können mir die kommunalen Unternehmen dabei helfen? Die Stadtwerke sind hier sehr gut positioniert, haben aber die Herausforderung, ihre zentrale Bedeutung auch nach außen zu tragen.

Kreative Kommunikation kann da sehr viel leisten. Ihre Stärken sind ganz klar die Nähe zu den Kunden und die Vernetztheit mit der Region. Ohne die kommunalen Unternehmen wird die Energiewende inhaltlich und technisch nicht umsetzbar sein. Das wird jetzt über die nächsten 20 Jahre die Energiewirtschaft bestimmen und das ist eine Riesenchance für die Kommunalen.

Sie haben für einige kommunale Unternehmen bereits umfassende Kommunikationsstrategien rund um das Thema Nachhaltigkeit ausgearbeitet und implementiert. Was ist dabei erfolgsentscheidend?
Kommunikationsstrategien von kommunalen Unternehmen sind häufig sehr technisch und politisch geprägt. Was den Unternehmen zum Teil fehlt, ist eine emotionale, strategische Markenführung auf lange Sicht, eine durchgehende Kommunikationslinie, mit einem hohen Vernetzungs- und Synergiepotenzial.

Wenn es gelingt, aus zahlreichen einzelnen Kommunikationsbausteinen eine durchgängige Kommunikationslinie zu erschaffen, dann kommuniziert man wesentlich effizienter und zielgerichteter. Budgets werden effizienter eingesetzt und das Unternehmen erreicht insgesamt deutlich mehr. Es gibt einige schöne Beispiele für derart programmatisch aufgebaute Strategien.

Strategisch verankerte Initiativen wirken langfristig positiv
und schaffen Reputation und Glaubwürdigkeit.

Eines der Projekte, auf das Sie anspielen ist die Nachhaltigkeitsinitiative „ZEICHEN SETZEN für Berlin“, die Sie für und mit Berlin Recycling entwickelt und realisiert haben. Worum geht es bei dem Projekt genau?
Berlin Recycling hat mit der Initiative „ZEICHEN SETZEN“ für Berlin seine Nachhaltigkeitsbemühungen institutionalisiert und fördert mit gezielten Aktionen klimabewusstes Verhalten sowie soziale Gerechtigkeit in Berlin. Wesentlich dabei ist, dass das Unternehmen nicht in taktischen Strohfeuern denkt, sondern durch die, in der Unternehmensstrategie strategisch verankerte Initiative langfristig positiv wirken kann.

DieBerlin Recycling Crowdsowie der eigens ins Leben gerufenen Förderverein (in Gründung) sind institutionalisierte Statements für die Ernsthaftigkeit des Programms. Das schafft Reputation und Glaubwürdigkeit, so dass die Aktionen von Berlin Recycling immer wieder auch von Medienpartnern (Print und Hörfunk) unterstützt werden, was für Reichweite und entsprechende Wahrnehmung sorgt.

Was kann man sich konkret darunter vorstellen?
Die Schwerpunkte des Programms sind im sozialen Bereich die Nachwuchsförderung sowie im Bereich Umwelt die Luftqualität in Berlin und die Optimierung der Kreislaufwirtschaft.

Über die Berlin Recycling Crowd wurden
zahlreiche Projekte für den Nachwuchssport finanziert.

Über die Berlin Recycling Crowd konnten beispielsweise bereits weit über 400.000 Euro an 75 Projekte für den Nachwuchssport ausgeschüttet werden. Dadurch bringen wir Kinder und Jugendliche gezielt zum Sport. Ein weiterer Leuchtturm des Nachwuchsprogramms ist das, 2017 initiierte und jährlich stattfindende BR Volleys Talente-Camp, welches zusammen mit den Berlin Recycling Volleys veranstaltet wird. Immer zu Beginn der Sommerferien können sich bis zu 200 volleyballbegeisterte Kinder und Jugendliche im Sand von BeachMitte austoben und ihr Talent unter Beweis stellen.

Ein großer Teil der Kosten wird dabei über Berlin Recycling bzw. die BR-Crowd finanziert. So wird auch benachteiligten Jugendlichen der Zugang zum Sport ermöglicht. Im Bereich Umwelt übernimmt das Unternehmen Verantwortung durch das Baumpflanzprogramm #BerlinerLuft. Damit verfolgen wir das Ziel, möglichst viele neue Stadtbäume in Berlin zu pflanzen.Und natürlich will auch Berlin Recycling selbst immer besser werden und hat ein internes Strategieprojekt Nachhaltigkeit mit dem Ziel einer frühestmöglichen Klimaneutralität des Unternehmens gestartet. Details, Prämissen und Finanzierung werden aktuell erarbeitet.

Der CO2-Fußabdruck ist die wichtigste Währung des Klimawandels.
Für die meisten Menschen ist er aber sehr abstrakt.

Worauf kommt es also letztlich an, wenn man Nachhaltigkeit breitenwirksam kommunizieren will?
Nachhaltigkeit darf kein strategisches Gimmick, sondern muss gelebte Haltung des Unternehmens sein. Und es muss gelingen, Nachhaltigkeit nicht mit Verzicht und Kosten zu assoziieren, sondern ein positives Lebensgefühl mit Gewinn an Lebensqualität zu kommunizieren. Dazu gehört auch manchmal, dass man den Finger in die Wunde legt und beim Bürger einen Aha-Effekt erzielt. 

Die Kommunikation rund um den CO2-Fußabdruck ist dabei ein schönes Beispiel. Die wichtigste Währung des Klimawandels ist für die meisten Menschen sehr abstrakt. Jeder weiß, wie viel 100 Euro sind, aber die allermeisten Menschen wissen nicht, wie groß ihr CO2-Fußabdruck ist oder was 1 Tonne CO2 überhaupt bedeutet. Wie soll ich als Bürger da überhaupt Verantwortung übernehmen können? Aber der CO2-Fußabdruck ist auch ein griffiges Thema, das ganz wunderbar in den Fokus der Kommunikation gerückt werden kann, denn die Kommunalen haben die Lösungen, diesen Fußabdruck zu verkleinern.

Wir können beispielsweise aufzeigen, wie man als Bürger in Energiefragen einen höheren Autarkiegrad erreicht, wie sich das das langfristig wirtschaftlich rechnet und gleichzeitig noch etwas für das Klima getan wird. CO2-Reduktion, Autarkiegrad und langfristige Wirtschaftlichkeit können drei sehr starke Argumente in der Kommunikation der Stadtwerke sein. Man muss sie aber emotional erfahrbar spielen, sonst bleiben sie zu abstrakt.

(Die Fragen stellte Hans-Peter Hoeren)