Wasser

„Vorrangstellung der Trinkwasserversorgung muss deutlicher werden“

Anlässlich der Mitte März geplanten Verabschiedung der Nationalen Wasserstrategie haben wir eine fünfteilige Interview-Serie zu dem Thema durchgeführt. Hier die Antworten von Helge-Uve Braun, Geschäftsführer Technik der Stadtwerke München (Teil 2).
08.03.2023

Helge-Uve Braun, Geschäftsführer Technik bei den Stadtwerken München (SWM).

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Pluspunkte der Nationalen Wasserstrategie?
Wir begrüßen Zielrichtung, Inhalte und Maßnahmen der Nationale Wasserstrategie, schließlich ist Wasser die wichtigste Lebensgrundlage für Mensch, Tier und Pflanzen. Die Wasserstrategie berücksichtigt die soziale und ökologische Situation in Deutschland. Denn sie soll sicherstellen, dass auch in 30 Jahren jederzeit und überall in Deutschland ausreichend qualitativ hochwertiges und bezahlbares Trinkwasser zur Verfügung steht, dass unser Grundwasser, unsere Seen, Bäche, Flüsse und Meere sauberer werden, dass eine weitere Übernutzung und Überlastung der Wasserressourcen vermieden wird, dass die Abwasserentsorgung weiterhin hervorragend funktioniert und die Kosten dafür verursacher- und sozial gerecht verteilt werden und dass die Wasserwirtschaft und die Wassernutzenden sich an die Folgen der Klimakrise und die Veränderungen der Demographie anpassen.
Gleichzeitig lässt die Nationale Wasserstrategie aber Raum für Nachschärfungen gerade aus Sicht der Wasserwirtschaft.

Die Einführung eines flächendeckendes Wasserentnahmeentgelts erscheint wenig hilfreich.

Was sind die größten Kritikpunkte?

  • Die Vorrangstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung ist zwar im Aktionsprogramm genannt, allerdings hätte ihr Vorrang auch an anderen Stellen klarer herausgearbeitet werden müssen. Schließlich ist die gesamte wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland auf eine gesicherte Trinkwasserversorgung angewiesen.
  • Neben der Vorrangstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung hätte auch gleichzeitig auf ausreichende Genehmigungsrechte hingewiesen werden müssen, ebenso wie auf eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für den Bau von Anbindungsleitungen bzw. Fernwasserleitungen.
  • Die Einführung eines flächendeckendes Wasserentnahmeentgelts erscheint wenig hilfreich. Mindestvoraussetzung ist eine Zweckbindung der generierten Mittel. Aber die Erfahrung in den Ländern zeigt, dass selbst bei einer Zweckbindung der dadurch generierten Mittel wenig Transparenz über die Mittelverwendung besteht und somit ein Zugewinn für gewässerschützende Maßnahmen nicht gewährleistet ist. Damit hätte dies eher den Charakter einer „verdeckten Steuer“. Außerdem führt die Einführung oder Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts zu einer künstlichen Verteuerung des Trinkwassers.
  • Hinsichtlich der Renaturierung von Gewässern und Feuchtgebieten ist an mehreren Stellen eine Moorwiedervernässung genannt. Dabei darf die bestehende Infrastruktur zur Trinkwassergewinnung nicht gefährdet werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Moorschutzstrategie der Bundesregierung das Prinzip der Freiwilligkeit festgelegt hat und dass hinsichtlich der Auswirkungen auf die Gewässerqualität alle Möglichkeiten der Wiedervernässung zu prüfen sind. Denn die Auswirkungen der verschiedenen Wiedervernässungsmethoden können sehr unterschiedlich sein.
  •  Bei dem Thema der Wasserwiederverwendung begrüßen wir die Sensibilität hinsichtlich der hygienischen Komponente des Themas. Dabei wäre aus unserer Sicht noch deutlicher herauszuarbeiten, dass es hier primär um eine Nutzung in Ausnahmefällen und im industriellen Bereich geht. Schon jetzt stützen gereinigte Abwässer den Wasserhaushalt, wenn in Trockenzeiten Flüsse und Kanäle zu wenig Wasser führen. Dieses Klärwasser stünde bei anderweitiger Nutzung dem Wasserhaushalt nicht mehr zur Verfügung.


Welches Problem sollte als erstes in den Fokus genommen werden?
Aus unserer Sicht ist der Vorrang der öffentlichen Trinkwasserversorgung essenziell.
Trinkwasser ist unser Lebensmittel Nr. 1 und kann durch nichts ersetzt werden. Daher ist vorrangig auf den Schutz des Grundwassers zu achten. Die Bevölkerung und die Wirtschaft sind auf eine gesicherte Versorgung angewiesen. Daher gehört auch die Vereinfachung und Beschleunigung von wasserrechtlichen Benutzungstatbeständen für die Wasserwirtschaft in den Fokus. Für Wasserversorger ist es sehr problematisch, wenn sie trotz nachgewiesener gestiegener Nachfragemengen und Nutzbarkeit von Ressourcen keine Entnahmegenehmigungen erhalten oder für Verlängerungen bestehender Entnahmen die Verfahrensdauer teils Jahrzehnte dauert. Dies gilt auch für eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für den Bau von Anbindungsleitungen bzw. Fernwasserleitungen, um die Sicherheit der Wasserversorgung auf der Angebotsseite schnell verbessern zu können.  
Insbesondere vor dem Hintergrund des zunehmenden Klimawandels in Verbindung mit den immer wärmer und trockener werdenden Sommermonaten ist die Sicherung bestehender und ggfs. Erschließung neuer Ressourcen von höchster Wichtigkeit. (hp)

Die Fragen stellte Elwine Happ-Frank.

In der Interview-Serie finden Sie außerdem Statements von Detlef Schumacher, Geschäftsführer der NEW NiederrheinWasser (Teil 1), Elisabeth Jreisat, Geschäftsführerin von Hessenwasser (Teil 3), Herbert Marquard, Geschäftsführer der Stadtwerke Pforzheim (Teil 4), und Henning R. Deters, Vorstandsvorsitzender, sowie Dirk Waider, Vorstand der Gelsenwasser (Teil 5).

Mehr zur Nationalen Wasserstrategie finden Sie in der ZfK-März-Ausgabe. Zum Abo geht es hier.