Deutschland

Kraftwerksstrategie: Worauf sich die Ampel geeinigt hat – und was offen bleibt

Kapazitätsmarkt, Ausschreibungen, Finanzierung: Die ZfK gibt einen ersten Überblick zu den wichtigsten Fragen.
05.02.2024

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen)

Die Ampel-Bundesregierung hat sich auf Eckpunkte für die Kraftwerksstrategie geeinigt, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Montagmorgen mitteilte. Viele Details bleiben dabei noch offen, einiges Neues gibt es aber schon. Ein Überblick:

Wann werden die ersten Ausschreibungen für neue Gaskraftwerke beginnen?

Ein fixes Datum gibt es nicht. Allerdings heißt es, dass neue Kraftwerkskapazitäten im Umfang von bis zu 10 Gigawatt (GW) "kurzfristig" ausgeschrieben werden sollen. In vier Runden sollen jeweils 2,5 GW ausgeschrieben werden.

Welche Vorgaben müssen die neuen Gaskraftwerke erfüllen?

Sie müssen H2-ready, also auf die Wasserstoffverbrennung umrüstbar sein. Zwischen 2035 und 2040 sollen die Kraftwerke dann auch den vollständigen Brennstoffwechsel zu Wasserstoff vollziehen. Wann genau das geschehen soll, soll 2032 festgelegt werden.

Werden auch reine Wasserstoffkraftwerke ausgeschrieben?

Im August 2023 hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) noch die Ausschreibung von 8,8 GW reiner Wasserstoffkraftwerke in Aussicht gestellt. 4,4 GW sollten auf sogenannte Sprinterkraftwerke entfallen, die schon möglichst früh ans Wasserstoffnetz angeschlossen werden sollten. 4,4 GW waren für Wasserstoff-Hybrid-Kraftwerke geplant, wo zuerst Erdgas und dann Wasserstoff verbrannt werden sollte.

Davon ist in der neuen Pressemitteilung keine Rede. Auch eine vorgesehene Aufstockung des geförderten H2-ready-Gaskraftwerksparks auf 15 GW wurde in der Aussendung nicht erwähnt. "Richtigerweise werden teurere Hybrid- und Sprinter-Kraftwerke in der Strategie zurückgestellt", kommentierte der Branchenverband BDEW.

Tatsächlich scheint es, als wolle die Regierung auf eine Förderung neuer, reiner Wasserstoffkraftwerke im Wesentlichen verzichten. Kraftwerke, die ausschließlich mit Wasserstoff laufen, sollen nur bis zu 500 Megawatt im Rahmen der Energieforschung gefördert werden.

Wo sollen die neuen Gaskraftwerke entstehen?

Auch hierzu hält sich die Ampel knapp. In der Mitteilung heißt es lediglich, dass die Kraftwerke an "systemdienlichen Standorten" stehen sollen. Wie dies gelingen soll, wird nicht näher erläutert.

Wie wichtig der Standortfaktor aber ist, betonte Stephan Kapferer, Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz. "Nur mit einer ausreichenden Regionalisierung der Kraftwerke lassen sich Redispatch- und Netzausbaukosten sparen", teilte er mit. "Gerade die Debatten der letzten Monate zeigen, wie wichtig es ist, die Systemkosten beim Strompreis in den Griff zu bekommen. Die Regionalisierung der Backup-Kraftwerke ist dazu ein bedeutender Beitrag."

Reichen die 10 GW aus, um den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen?

Hier dürfte die Branche sehr skeptisch sein. Bis zum Jahr 2030 würden mindestens 15 GW zusätzliche gesicherte Erzeugungsleistung benötigt, sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae vor wenigen Wochen. In ihrem Versorgungsbericht, der Anfang vergangenen Jahres veröffentlicht wurde, ging die Bundesnetzagentur sogar von einem Zubau von 17 bis 21 GW aus.

Wie viel Fördergeld plant die Ampel für die Kraftwerksstrategie ein?

Hierzu schweigen sich die Koalitionäre aus. Nur eines steht nun fest: Die Förderungen sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds, kurz KTF, finanziert werden. Zur Erinnerung: Es war gerade dieser Geldtopf, aus dem infolge eines Verfassungsgerichtsurteils im November 2023 insgesamt 60 Mrd. Euro gestrichen wurden. Aus dem Fonds werden zudem wichtige Wärmewende-Programme wie der Heizungstausch und die Wärmenetz-Förderung BEW bezahlt. Kurzum: Geld im Überfluss dürfte es Stand jetzt im KTF nicht geben.

Am Abend gab es in Regierungskreisen zum Finanzierungsbedarf ein Update. Demnach man rechnet mit Kosten von rund 15 bis 20 Milliarden bis Anfang der 2040er Jahre.

Mehr zum Thema: Die Milliarden-Frage: Wer zahlt für die Kraftwerksstrategie – und wie viel?

Kommt ein von weiten Teilen der Energiebranche geforderter Kapazitätsmarkt?

Der Begriff "Kapazitätsmarkt" fällt nicht. Allerdings sollen Konzepte für einen "marktlichen, technologieneutralen Kapazitätsmechanismus" erarbeitet werden. Dieser soll spätestens 2028 operativ sein. Die neuen Kraftwerke sollen in den zukünftigen Kapazitätsmechanismus vollständig integriert werden.

Eine politische Einigung über die Ausgestaltung des Kapazitätsmechanismus innerhalb der Bundesregierung soll "bis spätestens Sommer 2024" erzielt werden. In diesem Zuge soll übrigens auch das künftige Strommarktdesign weiter vorangebracht werden. Einen Winterbericht, der die Ergebnisse der bisherigen Expertengespräche zusammenfasst, wird für diesen Monat erwartet.

Was hat die Ampel sonst noch angekündigt?

Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Bau der neuen Kraftwerke sollen "substanziell" beschleunigt werden. Zudem sind Erleichterungen für den Bau von Elektrolyseuren geplant. Die CO2-Abscheidung und -speicherung für Kraftwerke mit gasförmigen Energieträgern soll im Rahmen der Carbon-Management-Strategie aufgegriffen werden.

Wie reagierten große Stromerzeuger?

Sie begrüßten die Eckpunkte. Der Energiekonzern RWE beispielsweise bekräftigte sein Interesse am Bau von H2-ready-Gaskraftwerken. "RWE plant, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen", erklärte das Unternehmen. Auch der Düsseldorfer Konkurrent Uniper will Gaskraftwerke bauen, die später mit Wasserstoff laufen können. "Wir gehen aktuell davon aus, dass Uniper einen Teil der neuen Kapazitäten für Deutschland bauen wird", erklärte Konzernchef Michael Lewis.

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbands VKU, warnte hingegen erneut: "Die Bildung von neuen Oligopolen im Bereich der Versorgungssicherheit muss unbedingt verhindert werden."

Wie geht es nun weiter?

Die Ampel-Einigung zur Kraftwerksstrategie soll mit der EU-Kommission in Brüssel beraten und anschließend mit der Öffentlichkeit konsultiert werden. "Mit der EU-Kommission können wir an die konstruktiven Gespräche aus dem Sommer letzten Jahres anknüpfen", heißt es. (aba)

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