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Trotz Ukraine-Krieg: Spanien importiert so viel russisches Gas wie noch nie

Anderslautende Appelle der spanischen Energieministerin haben bislang nicht gefruchtet. Dabei gibt es auch andere EU-Länder, die fast zwei Jahre nach Kriegsbeginn russisches Gas im großen Stil beziehen.
17.01.2024

Politisch herrscht Eiszeit zwischen Russland und Spanien, wirtschaftlich ist das nicht immer so. Im Bild zu sehen: Russlands Präsident Wladimir Putin und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez

Die russischen Gasimporte nach Spanien haben trotz andauernden Kriegs in der Ukraine im vergangenen Jahr einen neuen Rekordstand erreicht. Das zeigen neue Zahlen des Netzbetreibers Enagas.

Demnach stammten 2023 insgesamt 72,7 Terawattstunden (TWh) aus Russland. Das waren gut 10 TWh mehr als im Vorjahr.

Spanien unterhält sieben LNG-Terminals

Im Vergleich zum Vorkriegsjahr 2021 hat sich die Menge sogar nahezu verdoppelt. Damals lieferte Russland 37 TWh nach Spanien. Russische Truppen überfielen die Ukraine am 24. Februar 2022. Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht.

Bei den russischen Importen handelt es sich ausschließlich um verflüssigtes Erdgas, das per Schiff geliefert und an LNG-Terminals wieder in einen gasförmigen Zustand umgewandelt wird. Spanien unterhält sieben LNG-Terminals – ein europäischer Spitzenwert.

Russisches Gas nicht sanktioniert

Der linksgerichteten spanischen Regierung sind die hohen russischen Gasimporte sichtlich unangenehm. So bat Energieministerin Teresa Ribera nach eigener Aussage die wichtigsten heimischen Unternehmen darum, keine neuen Verträge mehr mit russischen Lieferanten zu schließen und keine zusätzlichen Mengen aus Russland mehr zu kaufen.

Sie verwies zudem darauf, dass der Bezug russischen Erdgases weiterhin nicht Teil europäischer Sanktionen sei. Es gebe dazu auch keine Einigung im Europäischen Rat.

Spanien: Algieren wichtigster Gaslieferant

Im Vergleich zum Vorkriegsjahr 2021 sind die algerischen Gaslieferungen nach Spanien um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Das nordafrikanische Land blieb im vergangenen Jahr trotz andauernder diplomatischer Spannungen mit insgesamt 95 TWh aber weiterhin wichtigster Gaslieferant der Iberer.

Auf Platz zwei folgten die USA mit Gasimporten in Höhe von 84 TWh. Russland reihte sich als drittgrößter Lieferant ein. Bemerkenswert auch: Im Vergleich zum Jahr 2021 sanken die Pipelinelieferungen aus dem Nachbarland Frankreich im vergangenen Jahr um die Hälfte. Deutschland wiederum importierte im vergangenen Jahr mehr Gas aus Frankreich, als es dorthin lieferte.

Russische Gasimporte wichtiger geworden

Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist der Wegfall russischer Pipelinelieferungen nach Zentraleuropa. Bereits im Frühjahr 2022 wurde die Jamal-Pipeline, die russische Ölvorkommen auf der Halbinsel Jamal über Polen bis nach Brandenburg transportierte, geschlossen. Ende August 2022 stellte Russland zudem seine Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ein. Die Schwesterpipeline Nord Stream 2 wurde nie in Betrieb genommen.

In der Folge hat Flüssigerdgas oder LNG auch für die Gas-Großmacht Russland deutlich an Bedeutung gewonnen. So war Russland bereits im ersten Halbjahr 2023 hinter den USA zweitgrößter LNG-Lieferant Europas, wie ZfK-Gaskolumnist und Ganexo-Geschäftsführer Joachim Endress errechnete.

Russische Gasimporte nach Belgien

Heißt auch: Spanien ist bei weitem nicht das einzige Land, das weiterhin russisches Erdgas in großem Stil kauft. So erhielt nach einer weiteren Analyse des ZfK-Gaskolumnisten Endress allein Belgien über sein LNG-Terminal Zeebrugge von Januar bis November 2023 insgesamt 66 Lieferungen aus Russland. Das entsprach der Hälfte aller belgischen LNG-Importe in diesem Zeitraum. Auch Deutschland wird über Zeebrugge mit Gas versorgt.

Zudem geriet Österreich in die Schlagzeilen, weil es im Oktober 2023 ganze 90 Prozent seiner Importe aus Russland bezog. (Die ZfK berichtete.) Die Alpenrepublik wird im Wesentlichen über die ukrainische Transitroute versorgt. Insgesamt gingen die Netto-Gasimporte dort aber im Vergleich zu den Vorkriegsmonaten spürbar zurück. Selbes gilt für die russischen Gasimporte (siehe Grafik).

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