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Hacke: "Nachhaltigkeitsdaten werden ein Wettbewerbsvorteil sein"

Im Interview spricht DKB-Vorstand Tilo Hacke über die Rolle der Banken für die Transformation und neue Wirtschaftschancen durch Nachhaltigkeit. Zudem verrät er, warum die Bank in den nächsten Jahren eine deutliche Steigerung des Kreditvolumens im Stadtwerke-Segment erwartet.
21.05.2024

Tilo Hacke ist seit 2013 Mitglied des Vorstands der Deutschen Kreditbank AG (DKB).

Auch nicht-berichtspflichtige Unternehmen, die Teil einer Lieferkette sind, werden künftig nach Daten zum Thema Nachhaltigkeit gefragt werden, sagt der Vorstand der Deutschen Kreditbank, Tilo Hacke, im ZfK-Interview. Er empfiehlt kleinen kommunalen Betrieben deshalb, vorsichtig und sukzessive erste Schritte im Bereich Datenerfassung zu machen. "Das muss nicht gleich umfassend und einnehmend sein, sondern darf wachsen", so Hacke weiter.

Auch in diesem Jahr ist die DKB Kooperationspartner der ZfK-Nachhaltigkeitskonferenz und überreicht den NachhaltigkeitsAWARD in der Kategorie Digitalisierung. Die Ausweitung der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, unter die künftig Dutzende kommunale Unternehmen fallen, und die damit einhergehende Umsetzung der CSRD ist auch Fokusthema der diesjährigen Konferenz am 17. Juni in Berlin. Erstmals werden bei der Tagung auch vertiefende Workshops im kleineren Kreis angeboten. Zur Anmeldung geht es hier

BTC und das Beratungsunternehmen Limón werden bei der Veranstaltung einen Workshop zum Thema "THG-Bilanzierung im Rahmen des ESRS E1" anbieten. Dabei soll auch der Aspekt der Datenanbindung genauer betrachtet werden. Die „Integration von EU-Taxonomie- und CSRD-Daten in eine spartenübergreifende Berichterstattung“ steht im Mittelpunkt einer Breakout-Session von Lufthansa Industry Solutions. Weitere Kooperationspartner bei der Veranstaltung sind Rödl & Partner und als Gastgeber die Berliner Stadtreinigung sowie die Gasag.

"Digitale Technologien bieten einen riesigen Hebel für Nachhaltigkeit."

Herr Hacke, zum zweiten Mal gibt es beim ZfK-NachhaltigkeitsAWARD einen Sonderpreis für Digitalisierung. Überreicht wird dieser von der DKB. Im vergangenen Jahr wurden drei Digitale Zwillinge, die die Kommunale Wärmeplanung erleichtern, ausgezeichnet. Wie bewerten Sie im Nachhinein die Premiere und die bisherigen Fortschritte bei der Wärmewende in Deutschland?
Tilo Hacke: Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren zu einer relevanten Wirtschaftsdimension geworden – und wird uns in den kommenden Jahren noch viel stärker beschäftigen als es bislang der Fall ist. Deswegen ist es genau richtig, dass Unternehmen sich dazu austauschen und dafür branchenspezifische Formate wie die ZfK-Nachhaltigkeitskonferenz geboten werden.

Als DKB sind wir seit letztem Jahr an der Konferenz beteiligt und vergeben den Sonderpreis mit Fokus Digitalisierung. Ich bin fest davon überzeugt, dass digitale Technologien einen riesigen Hebel für Nachhaltigkeit bieten – kein ausreichend nachhaltiger Wandel ohne fortschreitende Digitalisierung.

Und die letztjährigen Preisträger sind der beste Beweis dafür: In einem digitalen Zwilling haben sie Energieinfrastrukturen vor Ort dargestellt und sind damit in der Lage zu modellieren, wie einzelne Elemente weiterentwickelt werden müssen, um Klimaneutralität bis zu einem Zeitpunkt X zu erreichen. Ebenso aber auch, was das an Belastung für das Netz bedeutet. In der ZfK war zuletzt von immer mehr solchen Lösungen zu lesen. Es ist genau richtig, dass solche Best Practices ausgezeichnet und damit als Impuls in der Branche geteilt werden.

"Für zunehmende Extremwetterereignisse müssen unsere
Infrastrukturen flexibler werden. Dabei helfen uns digitale Lösungen."

So viel sei verraten, der diesjährige Preisträger in der Kategorie Digitalisierung stammt aus dem Bereich Wasser/Abwasser. Wie bewerten Sie in dieser Sparte das Potenzial für Digitalisierungslösungen, die maßgeblich die Nachhaltigkeit fördern? Wie ist die Wasser-/Abwasserbranche hier puncto Digitalisierungsgrad aufgestellt?
Gerade der Bereich Wasser/Abwasser ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir neben der Reduktion von Emissionen uns zugleich auch an nicht mehr aufhaltbare Veränderungen durch den Klimawandel anpassen müssen - insbesondere Starkregen, Dürre und Hitze. Für zunehmende Extremwetterereignisse müssen unsere Infrastrukturen flexibler werden. Dabei helfen uns digitale Lösungen. Grundsätzlich sehe ich drei Ansatzpunkte, die branchenübergreifend gelten:

1.    Daten erheben und verarbeiten: Intelligente Zähler, Messgeräte und Sensoren liefern eine solide Datengrundlage und melden Störungen oder notwendige Wartungen.

2.    Vorhersagen ableiten und Zukunft modellieren: Mithilfe von Big Data, intelligenten Datenarchitekturen und perspektivisch sicherlich auch immer stärker AI werden die erhobenen Datenmengen erst vollumfänglich nutzbar. Simulationen unterstützen dabei, herauszufinden, an welcher Schraube ich wie drehen muss, um welchen Effekt zu bekommen – also beispielsweise Klimaneutralität bis 2045 – und welche Wechselwirkungen es dabei gibt. Oder aber auch, um zu simulieren, wie beispielsweise Infrastrukturen auf Extremwetter reagieren.

3.  Intelligente Steuerung: Die immer präziseren Analysen schaffen eine Grundlage, auf der neue Ideen, Projekte und Geschäftsmodelle entstehen. Automatisierung und intelligente Steuerung werden entscheidende Elemente sein, um den komplexen Herausforderungen der nachhaltigen Transformation zu begegnen.

Das diesjährige Gewinnerprojekt hat uns gerade deswegen überzeugt, weil es umfassend gedacht ist und auf alle drei Punkte einzahlt.

Welche Rolle spielt Digitalisierung aktuell schon bei der Realisierung von Nachhaltigkeit und wie viel zusätzliches Potenzial sehen Sie hier noch?
Ich gehe davon aus, dass wir aktuell noch nicht mal ansatzweise erfasst haben, wie viel Potenzial digitale Lösungen bieten – geschweige denn umgesetzt haben. Die Entwicklung wird genauso rasant weitergehen wie bisher. Für Unternehmen bedeutet das Schritt halten, gerade im internationalen Vergleich.

"Man kann darüber streiten, ob die aktuelle Ausgestaltung der neuen Berichtspflichten so passend ist, aber dass wir künftig Nachhaltigkeitsdaten erfassen, halte ich für folgerichtig."

Die Bedeutung von Nachhaltigkeitsdaten nimmt zu, viele Stadtwerke werden ab 2026 verpflichtet sein, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht anzufertigen. Wo steht die Branche hier aktuell und warum legt der Finanzmarkt so viel Wert auf Nachhaltigkeitsdaten?
Viele Unternehmen kritisieren den hohen Aufwand, der mit den neuen Berichtspflichten einhergeht. Dass zusätzliche Aufwände in Zeiten von Fachkräftemangel und hohen Lohnkosten unbeliebt sind, kann ich nachvollziehen. Und ich kann ganz offen und ehrlich sagen: Auch für die DKB ist das eine wirklich herausfordernde neue Anforderung. Wir müssen ab nächstem Jahr unseren ersten Bericht nach der CSRD vorlegen.

Gleichzeitig ist unbestritten, dass wir mehr und granularere Daten brauchen, wenn wir in Zukunft beurteilen wollen, ob ein Projekt nachhaltig ist oder nicht. Man kann darüber streiten, ob die aktuelle Ausgestaltung der neuen Berichtspflichten so passend ist, ob die Taxonomie im Detail stimmig ist oder ob bestimmte Quotenberechnungen sinnvoll sind (das tue ich auch), aber dass wir als Unternehmen in Zukunft Nachhaltigkeitsdaten ähnlich wie Finanzkennzahlen erfassen, halte ich für folgerichtig.  

"Entscheidend ist, dass wir branchenübergreifende Standards definieren."

Der Impact von Banken liegt – anders als beispielsweise bei produzierenden Unternehmen – nicht in ihrem eigenen Betrieb, sondern in dem, was sie finanzieren. Banken werden in der nachhaltigen Transformation nur dann wirksam, wenn sie Finanzströme in nachhaltige Unternehmen und Projekte lenken.

Dafür benötigen sie Informationen, auf deren Basis sie die Nachhaltigkeit eines Vorhabens bewerten können. Entscheidend ist, dass wir branchenübergreifende Standards definieren, wie die Daten zwischen Unternehmen effizient ausgetauscht werden können, miteinander kompatibel sind und welche Daten es wirklich braucht.

"Durch den Klimawandel ergeben sich zwangsläufig
transitorische und physische Risiken für Unternehmen."

Auch kleine Unternehmen, die nicht berichtspflichtig werden, müssen sich wohl künftig mit dem Thema stärker auseinandersetzen. Warum kommt da letztlich kein Stadtwerk dran vorbei?
Am Thema Nachhaltigkeit kommt zukünftig kein Unternehmen vorbei, das ist richtig. Als Bank verweist man immer gern auf die Risikobetrachtung – das ist vielleicht ein pessimistischer Blick, hier aber passend.

Sagen wir mal, ich investiere heute in einen Wirtschaftszweig, der sehr CO2-intensiv ist. Dann muss ich mich fragen: Werde ich genau dieses Produkt, mit diesen Emissionen in 30 Jahren so noch produzieren können? Wird es dafür noch die Nachfrage geben? Die Antwort kann "ja" sein (bei bestimmten Produkten ist das so), in den allermeisten Fällen wird sie aber "nein" lauten – entweder weil das Produkt gar nicht mehr in eine klimaneutrale Zukunft passt oder weil ich meine Produktion umstellen muss.

Anderes Beispiel: Ich bin Landwirt und baue bestimmte Pflanzen an. Ich muss mich fragen: Liegen meine Äcker in einer Dürreregion? Kommt die Pflanze damit klar? Durch den Klimawandel und den Weg in eine klimaneutrale Zukunft ergeben sich zwangsläufig transitorische und physische Risiken für Unternehmen – da ist es völlig egal, ob ich 10 oder 10.000 Mitarbeitende habe.

"Ich empfehle auch nicht-berichtspflichtigen Unternehmen
vorsichtige erste Schritte im Bereich Datenerfassung zu machen."

Andersherum – und das ist der positivere Blick – ergeben sich auch ganz neue Wirtschaftschancen durch Nachhaltigkeit. Deswegen kann ich nur jedem Unternehmen, ob groß oder klein, empfehlen, sich jetzt einen Plan zu machen, wo das eigene Unternehmen in einer nachhaltigeren Zukunft stehen soll. Was Risiken sind, aber auch was Chancen sind.

Zum Thema Daten: Auch nicht berichtspflichtige Unternehmen, die aber Teil einer Lieferkette sind, werden mit zunehmenden Scope3-Bilanzierungen oder aber bei der Kreditvergabe zukünftig nach Daten gefragt werden. Das ist Teil der Logik hinter der neuen Regulierung. Meine Empfehlung für kleine Unternehmen ist deswegen: vorsichtige erste Schritte im Bereich der Datenerfassung machen.

Das muss nicht gleich umfassend und einnehmend sein, sondern darf wachsen. Ich denke, wir werden an einen Punkt kommen, wo das ein Wettbewerbsvorteil sein wird.

"Die Transformation wird extrem kapitalintensiv."

Auch die DKB verfolgt eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie. Ab diesem Jahr müssen alle Banken in der EU berichten, welcher Anteil Ihres Kreditportfolios nachhaltigen Kriterien genügt. Wo steht die DKB und die Branche hier und welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Als DKB haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis 2030 mit mindestens 80 Mrd. Euro an Finanzierungen einen deutlichen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDGs) zu leisten. 2023 zahlten bereits 54,4 Mrd. Euro unserer Finanzierungen auf die SDGs ein. Die Nachhaltigkeits-Ratingagentur ISS ESG hat uns in den letzten acht Jahren in Folge mit der Höchstnote (B-) innerhalb unserer Peer Group ausgezeichnet.

"Wir gehen von einer Steigerung unseres Kreditvolumens im Stadtwerke-Segment von heute zehn auf 13 Mrd. Euro in den nächsten Jahren aus."

Unseren nachhaltigen Fokus wollen wir weiter ausbauen. Wichtig ist uns, dass wir nicht nur hundertprozentig perfekt nachhaltige Projekte finanzieren, sondern genauso den Weg dorthin. Die Transformation wird extrem kapitalintensiv. Auf sehr viele Stadtwerke – wir unterhalten eine Kundenbeziehung zu jedem zweiten – kommen in den nächsten Jahren große Investitionen insbesondere zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und zum Ausbau der Stromverteilnetze zu. Wir gehen von einer Steigerung unseres Kreditvolumens im Stadtwerke-Segment von heute 10 auf 13 Mrd. Euro in den nächsten Jahren aus.

Mit über 14 Mrd. Euro Kreditvolumen ist die DKB die größte Finanzierin der erneuerbaren Energien in Deutschland. In den letzten 28 Jahren haben wir über 6900 PV-, Wind-, Wasserkraft und Biogasanlagen mit einer installierten Leistung von rund 15 GW finanziert, mit weiteren 14 GW planen wir bis 2027. Nachhaltigkeit ist damit für uns als Bank auch ein Wachstums-Case. Wir schaffen aktuell entsprechende Kapazitäten für eine Kreditvergabe in dieser Größenordnung bei uns.

(Die Fragen stellte Hans-Peter Hoeren)

Bereits erschienene Beiträge zur Konferenz und zum Themenfeld:

Spitznagel: "Wir hoffen auf einen Bericht, der den DNK-Standard und die CSRD erfüllt"

"Wir wissen noch nicht, ob wir einen oder zwei Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen"

ESG-Berichterstattung: "Beim Aufstellen neuer Prozesse bereits Optionen für Automatisierung schaffen"

CSRD-Umsetzung: Stadtwerke nennen Datenverfügbarkeit als größte Herausforderung

"Die Kieztage fördern das Bewusstsein für Abfallvermeidung"

"Die einzelnen Prozesse sollten von Beginn an digital und automatisiert abgebildet werden"

"Aufwand bei der Erfüllung der CSRD-Anforderungen nicht unterschätzen"

"Das Thema Nachhaltigkeitsdaten nimmt gerade erst Fahrt auf"

"Kleinere Stadtwerke reagieren da zum Teil noch sehr emotional"